Marilyn Manson „Born Villain“ / VÖ 27.04.2012
Meinungen
können schon mal auseinander gehen, sei es bandintern oder zwischen
Künstler und Presse. Da wäre zum Beispiel das letzte Album „The High
End of Low“, das Marilyn Manson selbst dieser Tage in Interviews gerne
als nicht sonderlich gelungen bezeichnet und damit auch die Ausrichtung
der neuen Platte „Born Villain“ erklärt. Ok, die Verkaufszahlen waren
schon mal besser, aber damit haben alle Berufsmusiker zu kämpfen (was
das Label Mansons nicht davon abhielt ihn vor die Tür zu setzten). Für
den Autor war es trotzdem ein klassisches Überraschungsalbum voller
erstaunlich guter Songs.
Bei
„Born Villain“, das vorab als „ich mache jetzt nur noch was MIR
gefällt“-Album mit starker 80er Schlagseite angekündigt wurde, verhält
es sich indes etwas anders. Während sich der ausführende Künstler wohl
zufrieden im Sessel zurücklehnt, ist der Schreiberling eher skeptisch.
Was nicht unbedingt besser wird, nachdem die erste Single „No
Reflection“ ziemlich am Ohr vorbei gebraust ist. Der Albumeröffner
„Hey, cruel World“ ist vom Aufbau her nicht unähnlich, schwummert,
wabert und lärmt aber um einiges mehr, dazu brüllt und quiekt Mr.
Manson zwischenzeitlich wie die sprichwörtlich abgestochene Sau. Das
mag zwar als Rückkehr zu mehr Härte von manchen gefeiert werden, macht
das Ding aber noch lange nicht zu einem guten Song. Entsprechend
ernüchternd fällt der erste Eindruck von „Born Villain“ aus, und man
wird nicht gerade von einer Welle der Euphorie durch den Rest der
Platte getragen. Aber unser leichenblasser Freund hat letztlich wohl
doch ein Herz für uns und schraubt den Krach-Faktor schnell wieder auf
ein erträgliches Maß zurück. „Overneath the Path of Misery“ ist immer
noch ziemlich abgedreht, mit „The Gardener“ kriegt die Scheibe dann
aber doch noch halbwegs die Kurve. Wie so oft auf diesem Langspieler
wird im gemächlichen Midtempo getrabt, aber die sprechgesangartigen
Strophen sind ein netter Einfall, und der recht Manson-typische Chorus
mit gewohnt verzerrtem Gesang tut sein übriges zu Gunsten des ersten
Ausreißers nach oben. Das kann jedoch nicht kaschieren, dass viele
Stücke auf dem nahezu identischen Grund-Beat basieren. „The Flower of
Evil“ und „Children of Cain“ wurschteln sich noch durch und entpuppen
sich als weitere Lichtblicke, während manch anderer Song zwar gute
Ansätze aufweist, zwischendurch dann aber doch irgendwie die falsche
Abzweigung erwischt („Lay down your goddamn Arms“). Interessant ist
hingegen der Bonustrack „You’re so vain“, eine Coverversion von Carly
Simon bei der niemand geringerer als Johnny Depp höchstpersönlich zur
Klampfe greift. Das Stück passt absolut ins Bild, und überhaupt muss
man „Born Villain“ lassen, dass die Scheibe zwar sicher nicht
jedermanns Sache sein wird, sie aber dafür wenigstens stimmig klingt.
Wer mit den Inspirationsquellen wie The Sisters of Mercy, Joy Division
und Bauhaus allerdings schon nichts anfangen kann (und dazu zähle ich
mich auch), der wird es schwer haben einen richtigen Bezug zu diesem
Teil herzustellen. Immerhin: „Murderers are getting prettier every Day“
beweist, dass Marilyn Manson zumindest sein gutes Gespür für
augenzwinkernde Songtitel nicht verloren hat.
Markus Rutten - www.sounds2move.de