Madder Mortem „Desiderata“ / VÖ 27.03.2006
Das neue Madder Mortem Album „Desiderata“ beginnt mit den Worten „How long can the silence hold?” und genau das müssen sich die Fans bezüglich des Releases auch gefragt haben. Im Herbst 2004 verkündete die Band das Album sei fertig gestellt und würde demnächst veröffentlicht, doch es kam zur Trennung mit Century Media und erst im Sommer 2005 war mit Peaceville Records (u.a. Darkthrone, Katatonia, My Dying Bride) ein passendes Label gefunden, worauf „Desiderata“ für den Herbst angekündigt wurde. Doch dann kam es wieder nicht zur Veröffentlichung - das Album wurde nochmals gemastered um ihm „einen frischeren Sound zu verleihen“ (O-Ton Peaceville). Jetzt aber haben wir die Möglichkeit zu erfahren, ob sich das Warten gelohnt hat.
Bereits der Opener „My Name Is Silence“ beseitigt alle Befürchtungen, dass Madder Mortem ihren Stil krass geändert haben könnten. Es wird immer noch progressiver Dark Metal geboten, für den von Journalisten mangels passender Schublade auch schon die irreführende Bezeichnung Post Gothic Metal erfunden wurde. Vertrackte Strukturen und komplexe Gitarrenarbeit, wechseln sich mit geradlinigen Passagen und tonnenschweren Riffs ab und Agnete M. Kirkevaag hält das Ganze mit ihrer Stimme zusammen. Bereits mit den Vorgängeralben konnten Madder Mortem so eine unglaubliche Stimmung von Dunkelheit und konstatierender Hoffnungslosigkeit aufbauen und auch dieses Mal schaffen sie eine ähnlich geartete Atmosphäre. Doch diese Treue zum eigenen Stil ist nicht zur Stagnation verkommen - gerade mal das bereits erwähnte „My Name Is Silence“ und den Titeltrack könnte ich mir auch auf dem Vorgängeralbum „Deadlands“ vorstellen. Was an „Desiderata“ als erstes auffällt, sind die ausgedehnten ruhigen und zum teil sogar chilligen Passagen in den Songs „Changeling“, „Cold Stone“,„Hangman“ und dem nur etwas über eine Minute dauernden „Dystopia“. Gerade bei letzterem vermittelt mir Agnete, auch wenn sie noch so sanft singt, immer das Gefühl, das da irgendwas im Busch ist, etwas Bedrohliches, Beängstigendes. Agnete ist sowieso meist alles andere als eine Loreley, ihr Gesang bezaubert und verführt nicht, vielmehr fesselt er durch seine Intensität und Authentizität. Wenn sie bei „Changeling“ zart haucht und nur wenige Sekunden später das Mantra „Change! Change! Change!“ ins Mikrofon schreit, dann wirkt das in sich schlüssig und natürlich. Doch das Album weist neben Songs mit den angesprochenen ausgedehnten ruhigen Teilen auch einige reinrassige Metal Tracks auf, allen voran „The Flood To Come“, „M For Malice“ und „Hypnos“ das durch das Drumming und den Bass in der Tat hypnotisierend wirkt.
Unter den zwölf Tracks ist mittlerweile auch nicht einer, der mich nicht in Verzückung versetzt - allerdings fand ich beim ersten Durchhören das Album noch nicht so berauschend. Wie einem guten Wein muss man auch diesem Werk Zeit lassen, damit man es wirklich erschliessen und somit geniessen kann. Denn "Desiderata" fehlen die eingängigen Melodien von „Deadlands“ und die Ausgelassenheit von „All Flesh Is Grass“, dafür stellt es das bis dato vielschichtigste und herausfordernste Album von Madder Mortem dar. Einen Kritikpunkt habe ich dennoch: die Produktion ist mir einen Tick zu dumpf ausgefallen. Ein Vergleich mit der ersten Produktion des Albums wäre sehr interessant, denn die Vorgängeralben auf Century Media hatten beide einen tadellosen Klang. Aber schon alleine die Tatsache, dass ich mich an minimale Makel der Produktion klammern muss, um an „Desiderata“ etwas bemängeln zu können, spricht Bände über die Qualität dieser Scheibe. Das Warten hat sich gelohnt. Ich bin begeistert.
Bernhard Balmer – www.sounds2move.de / 20.03.2006