Lyriel “Leverage“ / VÖ 24.02.2012
Der
Pfad zwischen Romantik und Kitsch ist ein äußerst schmaler. Auf ihrem
vierten Album „Leverage“ haben die Gummersbacher Folk bzw. Melodic
Metaller Lyriel diesen Weg zumindest partiell deutlich in Richtung
Kitsch überschritten. Die deutschsprachige Ballade „Wenn die Engel
fallen“ (übrigens mit Gastsänger Thomas Lindner von Schandmaul) trieft
nur so vor Schmalz, so dass es selbst mir, der diesbezüglich ziemlich
abgehärtet ist, die Schuhe auszieht. Zum Glück ist besagter nur einer
von neun Songs auf „Leverage“. Und die anderen geben ein deutlich
positiveres Bild ab. Mit „Parting“, das die folkigen Wurzeln der Band
betont und „White Lily“, einer schönen Hymne mit großem
Ohrwurmpotential, hat man sogar zwei echte Highlights am Start. Für
eine Überraschung sorgt „Voices in my Head“, das mit einem harten Riff
und ein paar Growls aufwartet, dann aber mit einem catchy Refrain
versöhnt. Mit „The Road not taken“ beweist die Band, dass sie auch
schöne Balladen schreiben kann, und das dynamisch-folkige „Aus der
Tiefe“ rettet die Ehre der deutschsprachigen Lyriel-Songs auf dem
vorliegenden Album. Auch der eingängige Titeltrack und der
melancholische Rausschmeißer „Repentance“ haben ihre Momente. Lediglich
„Side by Side“ muss man das Label „Füllmaterial“ anheften. Apropos
„lediglich“: Die Spielzeit von gerade mal 35 Minuten ist für einen
Longplayer und zwei Jahre Schaffensprozess doch etwas dürftig. Eine
Zugabe gibt es für Käufer des Digipacks. Neben einem Videoclip zu
„Leverage“ (der allerdings bei meinem Exemplar zu fehlen scheint) sind
noch zwei Coverversionen zu bewundern. Das Irish Traditional „Star of
the County Down“ sorgt für gute Laune und untermauert den Eindruck,
dass Lyriel ihre Folk-Einflüsse wieder ernster nehmen als auf dem
Vorgänger „Paranoid Circus“. Und die 80er Pop-Nummer „Everything is
coming up Roses“ (Black) klingt im folkigen Lyriel-Gewand auch recht
ordentlich.
Fazit: Wer Lyriel schon immer mochte, wird auch diesmal nicht enttäuscht. Sängerin Jessica Thierjung drückt der Scheibe mit ihrer charismatischen Stimme erneut den Stempel auf. Die eingängigen und einschmeichelnden Songs erledigen den Rest. Manch hartem Metaller könnte das Ganze allerdings insgesamt zu schwülstig klingen.
Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de