Lumsk „Det Vilde Kor“ / 26.04.2007

 

 

Es gibt wohl kein anderes Album, welches ich 2007 so herbei gesehnt habe wie das neue Werk der norwegischen Folk-Metaller (?) Lumsk. Die Band aus Trondheim hatte 2003 mit „Åsmund Frægdegjevar“ ein eher durchschnittliches Debüt auf den Markt gebracht, um dann zwei Jahre später mit neuer Sängerin einen Quantensprung hinzulegen. „Troll“ stellte für mich nicht nur das mit Abstand beste Album 2005 dar, es zählt meiner Meinung nach zu den besten Folk-(Metal)-Alben aller Zeiten.

 

Nun halte ich das neueste Werk der sieben Skandinavier „Det Vilde Kor“ in den Händen und muss feststellen, dass sich das alte Gesetz bewahrheitet: je größer die Erwartung, desto leichter kann man auch enttäuscht werden. Doch bleiben wir zunächst bei den Fakten. Von Metal kann man bei den neuen Songs nicht mehr sprechen. Das heißt nicht, dass „Det Vilde Kor“ ein reines Folk-Album wäre. Vielmehr gibt es jede Menge Rock, Pop, Klassik und sogar Jazz-Einflüsse zu hören. Klarinette, Oboe und Akkordeon sind nur einige Beispiele aus dem Musikinstrumentenrepertoire, das bei den Aufnahmen zum Einsatz kam. Und dass diese Instrumente auch alle erstklassig eingesetzt werden, will ich gar nicht in Frage stellen. Besonders hervorzuheben ist wieder der umwerfende Gesang von Stine Mari Langstrand, die von Klassik über Pop bis zu Folk wirklich jedes Metier meistert. Wo liegt also der Grund, dass mich die Scheibe nicht gleichermaßen umhaut, wie es „Troll“ konnte? Ich werfe der Band garantiert nicht ihre musikalische Weiterentwicklung (oder gar ihre Abkehr vom Metal) vor. Ich vermisse lediglich ein paar Songs, die direkt ans Herz gehen, die die Seele zum Klingen bringen. Waren diese auf dem Vorgänger noch zahlreich zu finden (z. B. „Trolltind“, „Byttingen“ oder „Allvis“), würde ich auf „Det Vilde Kor“ nur dem in Kooperation mit Gastsänger Ola Bremnes aufgenommenen „Om Hundrede Aar er Alting glemt“ diese Auszeichnung zugestehen. Diese gefühlvolle Ballade hat es wirklich in sich und müsste eigentlich – wenn die Charts nicht ihre eigenen degenerierten Gesetze hätten – die Hitlisten diverser Länder anführen. Der Rest – beim entrückten Opener „Diset Kvæld“ angefangen über das in vier Abschnitte unterteilte und sehr verspielte „Svend Herlufsens Ord“ bis zum abschließenden, äußerst sakral (bis weihnachtlich) anmutenden „Skærgaardsø“ - ist zwar sehr nett anzuhören, der letzte Funke will aber bei mir nicht überspringen.

 

Trotz allem ist „Det Vilde Kor“ natürlich immer noch ein überdurchschnittliches Album, das dem musikalisch aufgeschlossenen Hörer viel zu bieten hat (die Spielzeit könnte mit 39 Minuten allerdings etwas länger sein). Es fällt halt nur gegenüber dem grandiosen Vorgänger etwas ab. Abschließend muss noch erwähnt werden, dass sich die Texte von „Det Vilde Kor“ ausnahmslos an der gleichnamigen Gedicht-Sammlung („Der wilde Chor“) des norwegischen Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun (1859-1952) orientieren. Dieser ist wegen seiner positiven Haltung zum nationalsozialistischen Deutschland nicht unumstritten. Auf das literarische Werk („Det Vilde Kor“ entstand bereits 1904) hatte dies aber keinen Einfluss, und Lumsk sind weit davon entfernt, eine politisch motivierte Band zu sein.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de / 24.04.2007