Livingston "Animal" / VÖ 19.09.2014

 

 

Mit ihrer Single "Broken" waren Livingston 2009 ziemlich erfolgreich unterwegs, bekamen ordentlich Radio-Airplay und generell viel Aufmerksamkeit, im Anschluss durfte man mit "Go" außerdem den Titelsong zu Olympia im ZDF beisteuern. Seitdem ist zwar einige Zeit ins Land gegangen, aber die Weltenbummler (von Südafrika über London nach Berlin) sind dennoch weit davon entfernt ein klassisches One-Hit-Wonder zu sein. Wer die Band schon vor besagtem Hit kannte weiß, dass man sich schon in den Jahren zuvor eine solide Fanbasis erspielt hat, die den Jungs vor- und nachher die Treue hielt, kommerzielle Aufmerksamkeit hin oder her.

 

Und das haben sich Livingston auch verdient, die mit ihrem Ethno-angehauchten Rock eigentlich eh keine Band für die ganz breite Masse sind. Dass dem tatsächlich so ist, lernte man auf die harte Tour, denn nach dem Überraschungserfolg von "Sign Language", das bereits auf einem Major erschien, ließ man sich beim Nachfolger "Fire to Fire" dermaßen von der Erwartungshaltung unter Druck setzen, dass man seinen eigentlichen Pfad verließ und sich lieber anbiederte, um die Ansprüche des Labels und der Radiostationen zu bedienen. Dabei erlitten Livingston kolossalen Schiffbruch, die Scheibe floppte, der Deal ist mittlerweile natürlich futsch, aber dafür hat man seine kreative Freiheit wieder. Diese genießen Frontmann Beukes Willemse und seine vier Kreativpartner nun mehr denn je, Kompromisse sollen ein für alle mal der Vergangenheit angehören. Vermutlich ist "Animal" genau deshalb so ehrlich und ungekünstelt geworden, weil man sich ein Mal und damit ein Mal zu viel selbst in die Tasche gelogen hat. Jetzt schwimmt man sich mit 13 Songs frei, deren Grenzen überwiegend fließend sind und die mal mit Samples und mal mit ungewöhnlichen kulturellen Einflüssen aufhorchen lassen. Oder gleich mit beidem wie bei "Time Bomb", das mit beschwörenden Percussions einsteigt und sich dann langsam zu einem mit abstraktem Beat unterlegten Leckerbissen für die Rock-orientierten Tanztempel mausert. Die dichte Atmosphäre und tiefe Emotionalität der Songs lässt gefühlsmäßig an Bands wie Blue October, Vega 4 oder Muse denken, ein Vergleich, der rein auf die Musik bezogen sicher alles andere als wasserdicht ist. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, etwa den Umstand, dass alle genannten Bands es verstehen den Zuhörer mitzunehmen, aufzusaugen und - und das ist heutzutage selten genug geworden - wirklich zu berühren. Dass dabei nicht jeder Song direkt beim ersten Durchgang den ultimativen Ohrwurm gibt, hat im Bezug auf die Gesamtwahrnehmung so gut wie keinen Einfluss, da die Übergänge von "Animal" wie bereits erwähnt sowieso fließender Natur sind. Augenblicklich punkten werden definitiv das schnelle, laute "The Hunter", das schmissige "Human" (erste Single) und der angenehme Groove von "Into the Rain". Der Rest ist vor allem eins: ein eigenständiges, warmes und tendenziell düsteres Gesamtkunstwerk, das dem ganzen akustischen Fast Food da draußen den Stinkefinger zeigt. Damit treten Livingston außerdem den Beweis an, dass die im Titel und auf dem Cover suggerierten wilden Tiere nicht in (kreative) Käfige gehören, da sie ihre volle Faszination und Schönheit nur in freier Wildbahn entfalten können.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de