Leaves´ Eyes "Vinland Saga" - Plattenkritik / VÖ 30.05.2005

Liv Kristine war schon immer ein Fan von Geschichte. Ihr großes Interesse an der in Norwegen wichtigen Geschichte der Wikinger nutzte sie jetzt, um daraus das komplexe Konzept für das 2. Leaves´ Eyes Album zu stricken. Wer die hübsche Norwegerin kennt, weiß, dass ihr eine vollkommene Ausarbeitung ihrer Konzepte sehr wichtig ist. Schon allein deshalb eignete sich Liv in den letzten Monaten immenses Hintergrundwissen zur zufälligen Entdeckung Amerikas 500 Jahre vor Kolumbus an. Hinzu kommt eine ausgedachte Liebesgeschichte, die von einem Wikinger erzählt, der seine Frau für lange Zeit in Norwegen zurücklassen muss, um mit Erikson in See zu stechen.

Ende 2004 machte sich die Band daran, das Konzept im Studio umzusetzen. Hierzu wurden dieses Mal sogar echte Musiker für die klassischen Instrumente engagiert, um den Songs mehr Transparenz und Wärme zu verleihen. Noch mehr Wärme bei Leaves  Eyes Songs? Auf jeden Fall! Zwar war das Debüt schon nahezu perfekt, doch mit "Vinland Saga" setzen Leaves´ Eyes noch eine gewaltige Portion an Bombast und Klangtiefe drauf. Alle 12 Songs wirken schon als Einzelkompositionen von vorn bis hinten durchdacht und jeder einzelne Song kann sich auf seine Art behaupten. Für "Vinland Saga" (Weinland-Saga) wurden von der Frontdame auch einige Texte in der norwegischen Sprache verfasst, die gut mit dem durchweg romantischen Flair des Albums harmonieren. Das Intro trägt den Namen des Albums und wirkt durch die norwegischen Texte und die dadurch entstehende Bindung zu den Textinhalten als perfekter Einstieg in die Saga. Diese Tatsache lässt sich allerdings erst nach mehreren Durchläufen ergreifen. "Farewell Proud Men" weist die gewisse Tiefe aus, die man von Leaves´ Eyes gewohnt ist. Die Gitarren finden ihren verdienten Einsatz und harmonieren wie zu erwarten bestens mit der durchweg engelsgleichen Stimme der Sängerin. "Elegy" ist der eindeutig eingängigste Song des Albums. Nicht zuletzt deswegen war die Entscheidung für diesen Song als Single sicherlich die Intelligenteste. Bei "Soleamn Sea" kommt Alex Krull mit seinen Grunts das erste Mal zum Einsatz. Der Song ist durch die brechenden Gitarren in Verbindung mit den klassischen Instrumenten neben dem ebenfalls brechenden "Twilight Sun" einer der schnellsten und Metallastigsten Songs des Longplayers.

Viel Platz fanden dieses Mal die Balladen auf dem Album. Wunderschöne Melodien gibt es zum Beispiel bei den romantischen Songs "Leaves´ Eyes" und "Mourning Tree" auf die Ohren. Mit dem widerrum norwegischen "Ankomst" (dt. angekommen) endet die romantische Saga nochmals mit viel Gefühl und traumhaften Klangfarben. "Vinland Saga" ist eines der wenigen Album, dass ohne Probleme in voller Spielzeit von 45 Minuten am Stück durchlaufen kann. Durch die romantische Reise in das Leben der Fjorde und der See lässt sich schnell die Zeit vergessen.

Auffallend ist, dass beim zweiten Album in der noch jungen Bandgeschichte der Gesang wesentlich mehr in den Vordergrund rückt. Dadurch mussten die Gitarren zwar öfters weichen, doch durch die Klarheit der Stimme kann "Vinland Saga" wesentlich deutlicher rüberbringen, was Leaves´ Eyes ausmachen soll: Romantik, Liebe und Mytik. Durch die Komplexität des neuen Materials muss man erst mit den Songs warm werden. Haben die Titel aber erst mal ihren Zauber entfaltet, so hält dieser an und macht das Album zu einer echten Besonderheit, die keine langen Zwischenpausen im CD-Regal zulässt bzw verdient hat. Auf jeden Fall hat die Band hier beste Arbeit geleistet, denn einen Schwachpunkt - und wäre er noch so klein - sucht man auf diesem Album vergebens.

Simone Steinbüchel - www.sounds2move.de / 23.05.2005