Leaves' Eyes “King of Kings“ / VÖ 11.09.2015

 

 

 

Mit dem Wikinger-Image und den norwegischen Wurzeln von Liv Kristine haben Leaves´ Eyes seit jeher kokettiert. Diesmal gehen die Schwaben noch einen Schritt weiter. Das mittlerweile sechste Album „King of Kings“ ist ein Konzeptalbum über Harald Hårfagre (Harald I. Schönhaar), der im 9. Jahrhundert erstmals einige Wikinger-Stämme an der Küste Norwegens unter seiner Herrschaft einigen konnte. Nun stellt sich die Frage, ob es Leaves´ Eyes auch schaffen, alle ihre musikalischen Zweige (Metal, Folk, Gothic) unter einen Hut zu bringen und zu einem schlüssigen Ganzen vereinen.

 

Nun ja, der zuletzt eh nicht so besonders ausgeprägte Gothic-Anteil beschränkt sich auf „King of Kings“ zumeist auf das altbekannte Wechselspiel „Growls / Engelsgesang“ der Eheleute Krull. Düsterheimer sind daher mit Livs letztem Solo-Album sicher besser beraten. Zum Bombast neigender Symphonic Power Metal mit reichlich folkloristischen Farbtupfern ist dann wohl eine eher treffende Umschreibung für das, was einem auf dem neuen Rundling ca. 45 Minuten lang geboten wird. Dabei halte ich den Auftakt für weniger gelungen. Auf das schöne, auf Norwegisch vorgetragene Intro (mit Gastauftritt von Livs und Alex Krulls Sohn Leon) folgt der Titeltrack, der sich zu sehr auf seine sehr dominanten Chöre verlässt, ansonsten musikalisch aber nicht aus dem Knick kommt. Auch das folgende „Halvdan the Black“ hat zwar ein paar spannende Details aufzuweisen (wie die Wikinger-Hörner zu Beginn), setzt dann aber zu sehr auf Schema F und fast schon Therion'eske Chöre. Auch „The walking Eye“ kommt nicht ohne Chöre aus, nur dienen sie hier mehr dazu, Livs schöne Gesangslinien zu unterstützen. Dass der Track, der noch am ehesten alten Theatre of Tragedy-Spirit einatmet, auch als Ballade funktioniert, beweist die Akustikversion, die es als Bonus auf dem Digipack zu hören gibt. Im Anschluss kommen dann die Folk-Fans zu ihrem Recht: Nach kurzem Intro versprüht das keltisch angehauchte „Vengeance Venom“ Trinklaune mit schmissigem Mitsing-Chorus. Standesgemäß endet der Song mit einem inbrünstig geschmetterten Skål! „Sacred Vow“ drückt dann erstmals etwas aufs Gaspedal und zieht den Härtegrad an, bevor mit „Edge of Steel“ die erste von zwei großen Hymnen folgt. Hier erinnert nicht nur der Titel etwas an Manowar. Der Refrain dürfte jedenfalls bei kommenden Konzerten auf offene Ohren und Kehlen treffen. Den Gastbeitrag von Epicas Simone Simons würde ich dagegen eher als unauffällig beschreiben. Nach dem sehr gefühlvollen „Haraldskvæði“, einer in skaldischer Tradition verfassten Lobpreisung auf König Harald, folgt mit „Blazing Waters“ das Schlüsselstück des Albums. Nach schönem folkloristischen Einstieg (mit Gastgesang von Lindy-Fay Hella von Wardruna) übernehmen bald sägende Gitarren das Kommando, um dann in eine weitere Hymne die sich gewaschen hat zu münden. Das siebeneinhalb Minuten lange Werk hat aber noch ein paar mehr Wendungen zu bieten (zum Beispiel ein Break, das einen starken Gitarrensolopart einläutet) und endet so wie es angefangen hat mit dem eindringlichen Gesang von Frau Hella. Zum Abschluss der regulären Version des Albums gibt es dann noch die flotte, eingängige Folk-Nummer „Swords in Rock“. Als Klugscheißer, der ich gerne bin, möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Titel nichts mit Rockmusik zu tun hat. Die „Swords in Rock“ (Sverd i Fjell) sind eine Touristenattraktion (drei riesige Schwerter in einem Felsen steckend, siehe Foto unten) in der Nähe von Stavanger am Hafrsfjord, wo 872 die entscheidende Schlacht stattfand, in der Harald die anderen Wikinger-Könige unterwerfe konnte. Das Digipak hat dann noch die gelungene Ballade „Spellbound“ sowie das eher unspektakuläre „Trail of Blood“ als Bonus zu bieten. Außerdem gibt es eine weitere CD mit Akustik- und Instrumentalversionen.

 

„King of Kings“ ist letztlich ein Album mit einigen Highlights, aber auch ein paar Schwachstellen. Es freut mich, dass man im Hause Leaves´ Eyes im Vergleich zum Vorgänger wieder etwas mutiger geworden ist. An das (meiner Meinung nach) Meisterwerk der Band „Mereaded“ kommt die neue Scheibe aber nicht heran.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de

 

 


Namensgeber für "Swords in Rock": Die "Sverd i Fjell" nahe Stavanger (Foto: Alexander Dontscheff)