Lacrimosa „Sehnsucht“ / VÖ 08.05.2009

 

 

Lacrimosa existieren nun auch schon eine halbe Ewigkeit und bringen konstant Alben heraus, die die Meute in den meisten Fällen entweder begeistert oder schaudern lässt. Ich muss gestehen, dass ich irgendwo dazwischen stehe, überzeugt bin ich bisher nur von Teilen der „Elodia“ Scheibe sowie dem Großteil von „Fassade“. Das neue Lacrimosa-Werk „Sehnsucht“ verfügt über 10 Lieder und hat eine Spielzeit von ca. 62 Minuten.

 

„Die Sehnsucht in mir“ eröffnet also den Reigen. Mein erster Eindruck: Alles beim alten. Vielseitige Arrangements, vielseitige Instrumentierung, eine eigenwillige und individuelle Melodieführung, dazu Tilo Wolffs charismatische Stimme – dies alles unter einem tristen, melancholischen Deckmantel. „Die Sehnsucht in mir“ ist ein ruhiger, von gediegenen Melodien getragener Song, der im letzten Drittel durch den Einsatz von elektronischen Gitarren eine metallische Schlagseite bekommt. „Mandira Nabula“ klingt sehr eingängig, auf großen Bombast wurde hier zugunsten einer recht simplen Melodieführung verzichtet. Hierdurch entwickelt dieses Lied Ohrwurmcharakter. Tilo Wolff klingt verhältnismäßig aggressiv, ein dezentes Akkordeon ergänzt das instrumentelle Repertoire. Bei „Feuer“ entfällt der Großteil der Instrumentierung bis auf ein Orchester sowie einen Kinderchor. Gitarren, Schlagzeug agieren hier nur unterstützend, auch wenn dieses Lied durch Doublebasseinsätze kurzzeitige Aggression entfalten kann. „Call Me With The Voice Of Love“ gehört für mich zu der Sorte Lacrimosa Songs, die ich nicht verstehe. Grundsätzlich detailverliebt und durchaus stimmig aufgebaut, rauscht dieses liedartige Zwischenspiel doch nur an meinem Ohr vorbei. Das Album endet mit „Koma“. Die unterstützende Leadgitarre erinnert mich hier teilweise dezent an „Mandira Nabula“, der symphonische Anteil ist federführend hoch, die Songstruktur sehr dynamisch und variabel.

 

Tja, „Sehnsucht“ wird wie jedes Lacrimosa Album polarisieren. Sehr positiv ist, dass Tilo Wolff seine musikalischen Visionen gnadenlos und zielstrebig umsetzt. Weniger positiv ist, dass dies zumindest in meinen Ohren nicht immer sicher gelingt – aber wie dem auch sei, ein gutes Album ist „Sehnsucht“ allemal. Beinharte Knüppelmetaller machen aber bitte einen weiten Bogen drum herum, denn hier regieren eher Gefühl, Atmosphäre und dezente Melancholie.

 

Christian Stiewe – www.sounds2move.de / 26.05.2009