Lacrimas Profundere „Filthy Notes for frozen Hearts“ / VÖ 07.07.2006

 

 

Ich beobachte bei mir selbst seit Jahren ein interessantes Phänomen. Bei den neuen Platten einiger meiner absoluten Favoriten regt sich bei mir nach dem ersten Hören wenig bis nichts. Nach 3 bis 4 Durchläufen will ich die Teile dann jedoch gar nicht mehr aus dem Player nehmen und bin grenzenlos begeistert. Dieses Phänomen beobachte ich u.a. bei Apocalyptica, Evergrey (Ausnahme „The Inner Circle“), End of Green und Lacrimas Profundere. Letztere bringen in Kürze „Filthy Notes for frozen Hearts“ in den Handel. Und jetzt ratet mal, wie vor etwa 3 Wochen mein erster Eindruck war...

 

Nach dem ersten, eher unspektakulären Durchgang ging es mir erwartungsgemäß wie schon bei „Ave End“ vor knapp 2 Jahren. Beste Vorzeichen also! Und die Tradition sollte beibehalten werden. Nach kurzem Eindenken in die Platte macht es ganz schnell ‚klick’. Dann entfalten potentielle Live-Klassiker wie „Sweet Caroline“ oder „To love her on knees“ ihren ganzen Charme und schmieren einem großzügig eine packende Melodie nach der anderen in die Ohren. Gleiches gilt für „Should“ und die 2. Single „My velvet little Darkness“, die im Refrain mit weiblichen Backing Vocals erweitert wurden und damit an Sentenced zu „Amok“ Zeiten erinnern. Natürlich wären Lacrimas nicht Lacrimas wenn sie es nicht nur verstehen würden, vorzüglich zu rocken, sondern auch  von einem auf den anderen Moment in tiefste Melancholie zu verfallen, wie etwa im bedrückenden Seufzer „Sad Theme for a Marriage“. Dem zum Kontrast steht ein schmissiger Ohrwurm wie „Again, It’s over“, dessen Gesangslinie keinen kalt lässt und der eine satte Double-Base-Salve zum Abschied abfeuert.

 

Dass Lacrimas Profundere den Goth Rock neu erfinden, hat mit Sicherheit keiner erwartet. Aber dass sie den schon erfolgreichen Vorgänger „Ave End“ derart lässig in den Schatten stellen, dürfte auch die kühnsten Optimisten überraschen. Spielerisch wird die Messlatte für die nationale und internationale (!) Konkurrenz für den Rest des Jahres mit diesem Album ziemlich hoch gelegt. Angesichts dieses bemerkenswerten Albums kann man verstehen, warum Gitarrist Oliver Schmid seine Band mit Kokain vergleicht. Denn die „Filthy Notes“ können den Hörer berauschen und unter gewissen Umständen sogar im positiven Sinne süchtig machen. Nur dass einem bei dieser Droge die Nasenschleimhäute erhalten und die Folgedepression erspart bleiben. Jedem, der nur im Entferntesten mit Gothic Rock etwas anzufangen weiß, kann man da nur empfehlen, eine Nase, äh... ein Ohr zu riskieren. Wer sich verweigert, verpasst mit ziemlicher Sicherheit nicht nur das potentielle Genre-Album-des-Jahres, sondern auch einen möglichen Klassiker.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 01.07.2006