Katatonia "The Fall of Hearts" / VÖ 20.05.2016

 

 

 

Keiner malt schöner Melancholie in Moll als Katatonia. Das behaupte ich nicht nur als ausgesprochener Fan der Schweden, sondern meine es mit voller Überzeugung. Die Riege der Songs, die man guten Gewissens als Klassiker bezeichnen kann, ist schier endlos. Gleiches gilt für den kreativen Fluss des kongenialen Duos Anders Nyström/Jonas Renkse, die die musikalischen Zügel fest in der Hand halten. "The Fall of Hearts" könnte die eigene Großartigkeit seiner Schöpfer jetzt aber zumindest ein winziges bisschen zum Verhängnis werden.

 

Denn obwohl es an diesem Album für Fans und Genreliebhaber subjektiv eigentlich rein gar nichts auszusetzen geben sollte - allein für die gigantische Gitarrenmelodie von "Serein" würden die meisten anderen Bands ihre Seele verkaufen - muss man doch wenigstens zaghaft einwerfen, dass der ganz große Aha-Effekt irgendwie auf der Strecke bleibt. Ein letztes Fünkchen, diese eine unerwartete Wendung oder einfach mal eine aggressive Eruption würden genügen, um "The Fall of Hearts" den letzten Kick zu verleihen, der zum Prädikat "Weltklasse" fehlt. Schon klar: Katatonia haben ihre Death Metal-Einflüsse spätestens nach "Night is the new Day" gekappt und wenden sich mehr und mehr dem Progressive Rock zu, der ihnen unbestritten ebenfalls wunderbar zu Gesicht steht. Die damit einhergehenden Porcupine Tree-mäßigen Momente, die auch diese Scheibe aufweist, legen Zeugnis von dieser Entwicklung ab und unterstreichen außerdem, dass man längst zur Riege der ganz Großen aufgeschlossen hat. "Old Heart Falls" wagt dennoch einen Blick zurück und ruft wohlige Erinnerungen an "Last fair Deal gone down"-Zeiten hervor. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass man sich vortrefflich in dieses oft nachdenkliche Werk fallen lassen und für über eine Stunde davon treiben lassen kann. Katatonia waren und bleiben die Meister der schwedischen Melancholie, vermutlich wären sie es sogar, würden sie eine Stunde lang nur auf dem Kamm blasen. Qualitative Einbrüchen in Folge der jüngsten Veränderungen im Line-Up sind jedenfalls nicht auszumachen und waren abgesehen davon auch nicht zu erwarten. Davon ihren Stiefel einfach nur runter zu spielen, sind die Skandinavier Lichtjahre entfernt, trotzdem hätte auf "The Fall of Hearts" bei fast 70 Minuten Spielzeit der eine oder andere Überraschungsmoment das Gesamtbild sicher nicht zerstören können. Das aber nur mal als kleiner, gut gemeinter Hinweis, denn Kritik verbietet sich bei einem Langspieler dieser Güte.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de