Kamelot „Poetry for the Poisoned“ / VÖ 10.09.2010

 

 

Düster, melodisch, progressiv – das sind die drei Schlagworte, um die man nicht herum kommt, wenn man über Kamelot spricht. Das internationale Kollektiv ist von Album zu Album zunehmend düsterer geworden, vom noch recht klebrigen Power Metal der ersten Alben ist kaum etwas geblieben. Dafür kann man sich brüsten, das zu haben, was so vielen Bands abhanden kommen oder gar nicht erst gelingt, nämlich ein eigener Sound und eine eigene kleine Nische.

 

Und dass dem immer noch so ist, lässt sogleich „The Great Pandemonium“ erkennen. Vom Vorgänger „Ghost Opera“ und dessen Auftakt „Rule the World“ ist man hier weiß Gott nicht weit entfernt, was ausdrücklich positiv zu verstehen ist. Keine Experimente gab es außerdem bei der weiblichen Gaststimmen (Simone Simons) und der Studio- / Produzentenwahl (Gates Studio, Sascha Paeth). Für einen frischen Wind sorgen stattdessen drei weitere namhafte Gaststars: Obersoilworker Björn Strid trug seinen Teil zu bereits erwähntem Opener bei, der „Mountain King“ Jon Oliva macht einen auf „The Zodiac“ und der unlängst zum Ozzy-Gitarristen aufgestiegene Helenen-Flitzefinger Gus G spielt sich bei „Hunter’s Season“ einen Knoten in die Finger. Apropos Gus G: Dessen Solo ist schon nach wenigen Sekunden als definitiv nicht aus der Feder von Kamelot-Axtmann Thomas Youngblood enttarnt und zwar ein nettes Gimmick, aber auch nicht mehr, da zu aufdringlich für den Bandeigenen Stil dargeboten. Die Nummer selbst bleibt davon unberührt ein erstklassiger Ohrwurm, einer von vielen auf „Poetry for the Poisoned“. Weil das amerikanisch-norwegisch-deutsche Quintett diesbezüglich wie die Made im Speck lebt, kann man sich schon mal erlauben ein Highlight wie „Once Upon a Time“ ganz am Ende des weit über einstündigen Albums zu platzieren. Dieser Song macht sogar gewisse Zugeständnisse an die Vergangenheit von Kamelot, wenn im Chorus das Tempo angezogen und der Gesang gedoppelt wird. Von der vormaligen Zusammenarbeit „The Haunting“ muss man nicht zehren, denn „House on a Hill“ kann auch ganz unbekümmert für sich alleine stehen. Roy Khan und Simone Simons (Epica) harmonieren hier erneut hervorragend und malen dem Zuhörer großes Gefühlskino in die Ohren – eine Bombastballade auf höchstem Niveau. Zum Glück übertreiben Kamelot es wie schon auf den beiden letzten Alben zu keinem Zeitpunkt mit dem Bombast und werden schon gar nicht kitschig oder gar seicht. Weil „Poetry of the Poisoned“ zusätzlich einen leichteren Einstieg und mehr Hörspaß als der Vorgänger „Ghost Opera“ bietet, ist bereits jetzt absehbar, dass diese Scheibe es in einige Jahresbestlisten schaffen wird. Vollkommen zurecht, denn abgesehen vom Zwischenspiel „Dear Editor“, das zwar zum Konzept gehört, darüber hinaus musikalisch aber überflüssig ist, wird jedem, der eine der eingangs erwähnten drei Eigenschaften an einem Album schätzt, beste Qualität geboten. Somit ziehen Kamelot weiterhin einsam ihre Kreise am Genre-Olymp.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 13.09.2010