In This Moment "Black Widow" / VÖ 14.11.2014

 

 

 

Wer heutzutage noch auffallen möchte, muss sich schon etwas einfallen lassen. Das haben In This Moment vor dem letzten Album "Blood" getan und sich gewissermaßen neu erfunden. Neue Mitstreiter, korrigierte Ausrichtung, überarbeiteter Sound und vor allem eine komplett neue Optik und ein neuer Show-Ansatz bei den Konzerten. "Black Widow" spinnt diesen Faden nun weiter und treibt ihn auch auf seine vorläufige Spitze.

 

Denkt man an die ersten Alben der Band, dann denkt man an modernen Metal, catchy Tunes und die großzügig tätowierte Sängerin Maria Brink in bonbonfarbenen Kleidern mit mächtig Tüll. Kurz: Hits zwischen hymnischen Melodien und heiseren Screams. Das lief süffig rein, hatte ordentlich Pop-Appeal und machte auch ziemlich Spaß. Aber nach Spaß ist In This Moment schon seit dem letzten Album nicht mehr. Die Amis sind düsterer und bisweilen verstörend geworden. Wo "Blood" schon spleenig war, geht "Black Widow" noch einen Schritt weiter. Mit dieser Platte will man anecken, bewusst nicht jedermanns Liebling sein, schlicht polarisieren - mehr noch als bisher. Wer diese Scheibe hört, vor allem aber wer die Band mit ihrer sehr extravagant gewordenen Show live sieht, wird ziemlich schnell eine Meinung von ihr haben, die entweder in Richtung Begeisterung oder völlige Ablehnung geht. Vor allem aber wird man darüber reden, und genau das will das Quintett, denn so bleibt man im Gespräch. Dafür setzt man mehr denn je alles auf eine Karte, nämlich Frontfrau Maria Brink, die noch mal deutlich mehr inszeniert wird als es bisher schon der Fall war. Wirklich alles ist visuell auf die Sängerin zugeschnitten: Artworks, Fotos, Videos. Jedoch nicht mehr mit Neonkleid, Hupen und Tattoos, sondern eher als dunkle Weirdo-Queen, unverwundbare Hexe oder eben als verführerische, vor allem aber tödliche Schwarze Witwe wie im Albumtitel suggeriert. Für den letzten Nachdruck (böse Zungen mögen von Holzhammerrhetorik  sprechen) sorgen dann vorzugsweise die Songtitel: "Sex Metal Barbie" und "Bloody Creature Poster Girl" seien stellvertretend genannt. Das wirkt mit Verlaub plakativ, wird "Black Widow" - obwohl es natürlich ins Konzept passt - allerdings nicht wirklich gerecht. Denn musikalisch haben In This Moment nach wie vor durchaus etwas zu sagen, selbst wenn die Hitdichte von "The Dream" und "A Star crossed Wasteland" mit der neuen Ausrichtung wohl unerreicht bleiben wird. Dafür genießt man nun die kreative Freiheit in vollen Zügen, gönnt sich mal einen Hip Hop Beat ("Sex Metal Barbie"), kreuzt unverblümt Marilyn Manson mit "Rock me Amadeus" ("Big bad Wolf") oder verzichtet für einen Song auch einfach mal komplett auf den obligatorischen Höhepunkt ("Dirty Pretty"). Dem entgegen stehen der verruchte Modern Metal von "Bones", das alte Stärken aufblitzen lassende "Sick like me" und die autobiografische, tief emotionale Halbballade "The Fighter". Besonders letztgenannte Nummer punktet mit einem überragenden, entwaffnend ehrlichen Text, der einem klar macht, dass "Black Widow" mitnichten so oberflächlich und plakativ ist wie man auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick denken könnte. So verbirgt sich nämlich auch hinter dem etwas stumpf klingenden "Sex Metal Barbie" eine regelrechte Kampfschrift gegen Mobbing, Online-Großmäuler und Vorurteile, die es wert ist, dass man etwas genauer hin hört. Dass eben diese Tiefgründigkeit vielen Zuhörern wohl verborgen bleiben wird, daran sind In This Moment zu einem nicht kleinen Teil vermutlich sogar selbst schuld, denn vielleicht erzeugen sie mit ihrem neuen Image und dem Drumherum sogar mehr Aufmerksamkeit als ihnen eigentlich lieb ist und die dann beim eigentlich wichtigeren Blick auf die Musik - gerade in der heutigen Zeit des High-Speed-Konsums - etwas zu kurz kommt. Beim nächsten Mal bitte wieder etwas mehr Zurückhaltung beim Drumherum. Die Musik hat es verdient.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de