Imperia “Tears of Silence“ / VÖ 20.11.2015

 

 

Zu den Fleißigsten in der Musikergilde scheinen Helena Iren Michaelsen und ihre Band Imperia nicht zu gehören. Erneut sind über vier Jahre vergangen, seit dem die gemischt europäische Truppe (im Line-up ist alles beim Alten geblieben) mit einem Longplayer aufwartete. Nun steht mit „Tears of Silence“ das vierte Album in zwölf Jahren Bandgeschichte in den Plattenläden. Gut Ding will Weile haben heißt es ja, und in der Tat ist der neue Rundling der ehemaligen Trail-of-Tears-Sängerin und ihrer Mitstreiter nicht von schlechten Eltern. Das (in seiner Digipack-Ausführung) deutlich über eine Stunde lange Werk fordert mit seinen 13 Stücken aber etwas Geduld, um damit warm zu werden. Die Grundausrichtung ist ähnlich wie beim Vorgänger „Secret Passion“. Es gibt eine Kombination aus Gothic Rock und Symphonic Metal, die aber diesmal etwas weniger eingängig daher kommt. Dafür gibt es noch mehr stilistische Breite, noch mehr kompositorische Details zu entdecken. So haben sich auch Folk Elemente („Friheten vil seire“), Viking Metal („The Viking-Song“) und orientalische Einschläge („Crossroads“) unter die Songs gemischt. Einen stilistischen Komplettausreißer wie die Dance-Pop-Nummer „Mistress“ auf dem Vorgänger habe ich allerdings etwas vermisst. Die bereits erwähnte Folk-Nummer „Friheten vil seire“ (Die Freiheit wird sich durchsetzen) ist nicht nur der erst zweite Song in der Imperia-Geschichte, der in Helenas Muttersprache Norwegisch gesungen wird (nach „Norge“ auf „Queen of Light“), er untermauert auch erneut die für dieses Genre untypische positive Grundausrichtung der Band. Aber das ist durchaus begrüßenswert. In der derzeitigen politischen Großwetterlage kann die Freiheit jede Unterstützung gebrauchen. Inhaltlich in die gleiche Kerbe schlagen die beschwingte Bonus-Nummer „We´ll be free“ und die mit bombastischen Chören unterlegte Halbballade „Spirit Chase (Keep Fighting)“. Apropos Ballade – davon gibt es natürlich weitere auf „Tears of Silence“ zu hören, als da wären der Siebenhalbminüter „Away“, der mit schönen Streicher-Melodien aufwartet und gegen Ende auch noch ein wenig Fahrt aufnimmt, und der zweite Digi-Bonustrack „Broken Hearts“, der eine Krankenhaus-Sterbebett-Atmosphäre vermittelt und somit ein wenig die positive Ausstrahlung des Albums relativiert. Allerdings gehört der Song wie gesagt nicht zum regulären Fundus der Scheibe. Diese endet offiziell mit „Wings of Hope“, eine optimistische Power-Nummer mit vielen klassischen Arrangements, in deren Verlauf Frau Michaelsen auch mal ihre opernhafte Stimme zum Einsatz kommen lässt (was sie meiner Meinung nach ansonsten viel zu selten tut). Ab und an nimmt das Album auch etwas Tempo auf, etwa beim dynamischen „My screaming Heart“ (mit schönem Rocknummer-Chorus) oder bei „Innocent Child“, das zwischen Balladen-Feeling und typischem Gothic Metal hin- und her wechselt und durchaus an frühe Trail of Tears erinnert. Auch „The Vikingsong“ hat neben Flöten, Wikingerhorn, Meeresrauschen und Schlachtengetümmel gewisse Härten und sogar vereinzelte Growls zu bieten.

 

Letztendlich ist „Tears of Silence“ definitiv ein gelungenes Album, auf dem (fast) jeder Song für sich genommen ein kleiner Hit geworden ist, das in seiner Gesamtheit aber den ein oder anderen etwas erschlagen dürfte. Helenas Gesang tönt zwar variabel wie nie zuvor, ist aber noch einmal eine Spur songdienlicher eingesetzt. Das könnte es auch einer größeren Menge potentieller Zuhörer möglich machen, dieses Stück Tonkunst gut zu finden. Anhängern des norwegischen und niederländischen Gothic bzw. Symphonic Metals kann man die Platte in jedem Fall bedenkenlos empfehlen.

  

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de