Ihsahn „AngL“ / VÖ 13.06.2008

 

 

Wenn Ihsahn ein neues Solo-Album veröffentlicht, darf man immer gespannt sein, denn seit Emperors finaler "Prometheus"-Gehörattacke gab es über Ihsahns Debütalbum "The Adversary" und diverse Nebenprojekte bis hin zum jüngst erschienen "AngL" immer wieder kleine Neuerungen und Soundexperimente, die der norwegische Altmeister in seine von schwarzmetallischer Atmosphäre durchdrungenen Songs einbaute. Das neue Album "AngL." beginnt wuchtig, blackmetallische Vocals zu progressiven, immer dem Black Metal verhafteten Riffing werden von einem Chorus unbeschreiblich guter Art gekrönt, welche ein wenig an "Prometheus" erinnert. Ein wenig Borknagar (kein Wunder, Ihsahns Bandkollegen kommen aus dem Umfeld dieser Band) und Arcturus schwingen da mit, eine Weite, ergreifende, treibende Refrainlinie ertönt; es ist ein harter, derwischartiger Song, ein trefflicher Opener. Die experimentelle Ausrichtung, verschachtelte Licks zu harschen Gesängen, wirkt hier als integraler Teil des Tracks, und da besteht ein himmelweiter Unterschied zu vielen Kollegen, welche, ohne Sinn für einen Song, munter drauflossolieren.  

 

"Scarab" ist gleich ein weiteres Highlight, raue Passagen wechseln mit lieblichen, unkitschig-grandiosen locker aus dem Handgelenk geschüttelten akustischen Gitarrenlinien, welche einen Ruhepol zu Ihsahns hektischen Vocals darstellen. Und was ab Minute 2:48 passiert, dieses Break, der Klargesang, das Klavier, das sollte der geneigte Leser/Hörer sich nicht entgehen lassen. "Unhealer" enthält Gastgesang von Opeths Akerfeld (hier growlt Akerfeld so, wie er es auf "Watershed" öfter hätte tun können) und baut auf den geglückten Kontrast von Ihsahns melancholischen Vocals zu akustischen Gitarren und Akerfelds wie aus der Vergangenheit tönenden Grunts, welche effektiv von schwer anschlagenden fließenden Hooks umrahmt werden. Ein toller Song! Überhaupt, die leicht gespannten Melodiebögen und transparenten gefühlvollen Soli sind klasse, erinnern an "Prometheus", sind jedoch weniger vertrackt und auch ein Händchen für weite, traurige, sehr gelungene Chorusse abseits der Hauptkamplinie kann man dem guten Ihsahn nicht absprechen. Und so geht es weiter. "Emancipation" zeigt eingangs, dass Ihsahn auch Postrock machen könnte, Klargesänge und ein blackmetallischer, anklagender, sich steigernder Chorus lassen Gänsehaut entstehen, ebenso das Klassesolo, das an ganz frühe Fates Warning erinnert. "Malediction" macht Tempo, laut, heftig, furios, um in ein erneut effektiv in Szene gesetztes Solo zu münden. Keys können so gut zur Untermalung der Stimmung, zur Atmosphäre beitragen. "Alchemist" tönt variabel, ein erneut großartiger Chorus zu quirligen Gitarrenlicks löst die Anspannung. "Elevator" beginnt doomartig, es folgt eine Mischung von Passagen/Breaks aus Atavismus und Moderne, exzellent umgesetzt, wobei Ihsahn immer den Song im Blick, d.h. Gehör hat. "Threnody" zeigt uns, dass Ihsahn ein großer Opeth-Fan sein muss, Gesang, Text, Songaufbau und sich türmende Riffgebirge sprechen eine deutliche Sprache, allerdings sind Alice In Chains auch nicht weit entfernt. "Monolith" bildet den enthusiastischen Abschluss eines mit einiger Experimentier- und Spielfreude versehenen Albums. Es werden noch einmal alle Register gezogen, akustisch, gesanglich, gitarrentechnisch.

 

Dieses Album zeigt, dass es noch wirkliche Juwele in der Veröffentlichungsflut von heute gibt. "AngL" ist innovativ und konservativ zugleich, ernst, harsch und emotional. Die Vocals von Ihsahn selbst sind variabel, schwarzmetallisch bis clean, zumeist jedoch ersteres, was eine melancholische, bedrückende Atmosphäre schafft. Wer treffliche Soli, variables Drumming (Asgeir Mickelson von Borknagar/Spiral Archtect, wer sonst), hart anschlagende Basslinien (Lars Norberg, Spiral Architect), atmosphärische Zuspitzung, Stilvielfalt und eine gute, allerdings sehr sterile, digitale, kalte Produktion, welche aber in diesem Falle bestens zur gebotenen Musik passt, zu schätzen weiß, muss hier zugreifen.

 

M.E. – www.sounds2move.de / 08.06.2008