Helrunar “Niederkunfft“ / VÖ 27.02.2015

 

 

Zugegeben - ich gehöre zu den altmodischen Menschen. Ich lese noch Bücher aus Papier, schaue Filme auf DVD bzw. Blu-ray und kaufe gerne Musik auf Tonträgern. Wenn dann eine Band wie Helrunar ihren Fans hochwertige Sondereditionen anbietet, greife ich gerne zu, da neben den Ohren auch optische und haptische Reize angesprochen werden. Als „Niederkunfft“, das vierte Album der Münsteraner Extrem-Metaller, als Buchversion im Ledereinband mit ca. 50-seitigem Booklet angeboten wurde, musste man mich nicht lange bitten. Und offensichtlich gibt es noch andere Menschen in diesem Land, die Wertigkeit zu schätzen wissen, denn der aktuelle Rundling schaffte es, auf Platz 44 der deutschen Album-Charts einzusteigen. Eigentlich unfassbar, die Worte Helrunar und Charts in ein und dem selben Text zu verwenden, denn kommerzieller Erfolg ist eigentlich nicht das, was ich je mit Skald Draugir und Alsvartr verbunden hätte. Und auch „Niederkunfft“ ist weit davon entfernt, ein Album für die breite Masse zu sein. Von den Pagan Metal Wurzeln hat man sich endgültig gelöst. Inhaltlich geht es um die dunklen Jahrhunderte zwischen ausgehendem Mittelalter und Früher Neuzeit. Hexenverfolgung, Dreißigjähriger Krieg oder Massenhysterie und Weltuntergangsszenarien aufgrund einer Sonnenfinsternis sind nur einige Themen. Das ganze mutet teilweise wie eine Geschichtsstunde an, insbesondere wenn man das eindrucksvolle Booklet zur Hand nimmt, in dem die Texte mit zeitgenössischen Kupferstichen illustriert sind. Die B-Note ist, wie man bei Helrunar erwarten durfte, also gewohnt Spitzenklasse. Doch was ist mit der Musik? Hier muss ich leider konstatieren, dass „Niederkunfft“ nicht ganz an seine Vorgänger heranreicht. Sicherlich gibt man sich stilistisch keine Blöße. Instrumental ist alles in Ordnung. Den Münsteranern gelingt es auch, der Musik die nötige zum Grundthema passende düstere Atmosphäre zu verpassen – etwa dann, wenn Skald Draugir immer wieder gesprochene Zitate damaliger Zeitgenossen einschiebt. Was das Album aber gebrauchen könnte, wäre mehr Abwechslung. Es spielt sich fast alles im Midtempo ab, zu selten gibt es Gewaltausbrüche wie in „Magdeburg brennt“, „Die Kirch ist umgekehret“ oder „The Hiebner Prophecy“. Auch die in der limitierten Buchedition enthaltenen Bonussongs „Landsknecht“ und „1683“ heben das Härtelevel deutlich an. Ersterer Song bringt zudem auch noch so etwas wie einen Refrain mit Wiedererkennungswert mit. Solche Momente sind ansonsten Mangelware während der gut einstündigen (inklusive Bonus) Spielzeit. Nun ist es auch nicht unbedingt das, was Helrunar Fans erwarten, Hits am Fließband vorgesetzt zu bekommen. Und „Niederkunfft“ bietet definitiv die anspruchsvolle Kost mit viel Liebe zum Detail, mit der man sich einige Stunden lang beschäftigen kann. Unter dem Strich also eine klare Kaufempfehlung – insbesondere für die limitierte Buchedition.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de