Heaven Shall Burn "Veto" / VÖ 19.04.2013
Heaven
Shall Burn haben gedreht, zwar nicht an der Uhr, aber an ihrem Sound.
Doch keine Angst: Weder die orale Naturgewalt eines Marcus Bischoff,
noch die zerfetzenden Riffs oder gar die Erdbeben-artige
Rhythmussektion haben an Biss verloren. Es ist vielmehr die Art und
Weise wie "Veto" zusammengesetzt wurde, denn frischer klangen die
Thüringer seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr.
Man sagt, es sei vor allem Tue Madsen, dem alteingesessenen Mischer der
Band zuzuschreiben, dass "Veto" diese neu gewonnene Frische aufweist.
Seit Jahren soll er dafür plädiert haben, dass - simpel gesprochen -
lauter nicht immer auch besser ist. Diesmal hat man auf den Dänen
gehört, und das Ergebnis spricht für sich. Das 7. Album ist immer noch
ein moderner Death Metal-Brecher vor dem Herren, aber die Produktion
atmet, ist verdammt dynamisch geraten und macht die Songs deshalb
schlicht kurzweiliger und ein Stück weit auch zugänglicher. In der
Vergangenheit kam es schon mal vor, dass einen ein neuer HSB-Teller
erst einmal ziemlich erschlagen hat. Die Alben waren super und machten
Laune, konnten einen anfangs aber auch schon mal überfordern. Man
könnte also sagen, Heaven Shall Burn sind noch ein Stück konsumierbarer
geworden, was auch Leuten gefallen könnte, welche die Band bisher
vielleicht abgelehnt haben. Mit starken Worten wie "Anbiederung" oder
"Verbiegen" hat das ausdrücklich überhaupt nichts zu tun, sondern die
fünf Jungs machen aus ihren Möglichkeiten einfach mehr und lassen im
gleichen Zuge die Feinheiten besser zur Geltung kommen. Das macht
"Godiva" zu einer famosen Melodic Death-Hymne mit dicker
Göteborg-Schlagseite, "Die Stürme rufen dich" bringt dafür noch einen
Hauch Thrash mit und ist trotz hohem Tempo ziemlich eingängig. Auch das
knapp sechsminütige Sea Shepard-Tribute "Hunters will be hunted" ist
wohl auch deshalb so eine epische Angelegenheit, weil
Gitarrenharmonien, Soundspielereien und erhabene Riffs den Raum
bekommen, den sie brauchen und nicht von der Soundwand an sich
überrannt werden. Bevor es hier zu Missverständnissen kommt: Vorgänger
wie "Invictus" oder "Iconoclast" waren ohne Zweifel famose
Abrissbirnen. Dass "Veto" jetzt mehr atmet, setzt den alten Stärken nur
noch die Krone auf. Da kann man sich auch die Freiheit erlauben, wieder
mal eine Coverversion mit aufs Album zu nehmen, wobei die Wahl im
ersten Augenblick überraschen mag. Denn Heaven Shall Burn haben sich
nicht nur einen unsterblichen Klassiker von Blind Guardian ("Valhalla")
vorgenommen, sondern es darüber hinaus auch noch geschafft deren Sänger
Hansi Kürsch zum Mitsingen zu animieren. Fettes Ding und ein
unwiderstehlicher Kniefall vor einem ausgesprochenen Evergreen, der
auch im zeitgemäßen Klanggewand und ein paar Schippchen härter
interpretiert nichts von seinen Ohrwurmqualitäten einbüßt. Damit ist
sichergestellt, dass auf "Veto" der Spaß trotz ernster Themen in den
Texten nicht zu kurz kommt. Mit dieser Mischung werden die Thüringer
(fast) überall offene Türen einrennen, begrüßt also mit mir die neue
Referenzplatte einer außergewöhnlichen Band.
Markus Rutten - www.sounds2move.de