Guns N Roses "Appetite for Democracy 3D" / VÖ 31.10.2014

 

 

 

Kaum zu glauben, aber in ihrer bald 30-jährigen Geschichte haben Guns N Roses bis dato nicht ein einziges Live-Bilddokument veröffentlicht. Es gab lediglich VHS-Kassetten zu den beiden "Use your Illusion"-Scheiben, dazu eine Sammlung von Musikvideos. Das jetzt erschienene "Appetite for Democracy" ist somit tatsächlich der erste audio-visuellen Konzertmitschnitt der Gunners, wobei man auch nur auf ein offizielles Live-Album ("Live Era") kommt.

 

O.k., zwischen "The Spaghetti Incident" und "Chinese Democracy" lagen ohnehin 15 Jahre stille Post, Skandale und Skandälchen und natürlich der Running Gag zu letztgenanntem Album, welches dann 2008 doch noch das Licht der Welt erblickte. Noch mal sechs Jahre hat es jetzt für diese DVD/Blu-ray gebraucht, wobei natürlich wieder der Glaubenskrieg unter Anhängern entfacht, ob man die aktuelle Besetzung überhaupt noch als Guns N Roses definieren darf oder nicht doch lieber als "Axl Rose und Band spielen Guns N Roses". Lumpen lässt sich der gute Axl für "Appetite for Democracy" jedenfalls nicht, und so flattert uns dieser brillant in Szene gesetzte, fast dreistündige Auftritt in fetter 1080p Full-HD-Qualität und noch dazu in schnittigem 3D-Format ins Haus. Als Anlass haben sich die "neuen Gunners" eine ihrer Residence Shows im "The Joint" im Hard Rock Hotel & Casino von Las Vegas auserkoren. Das hat den großen Vorteil, dass man - wie der Name schon erahnen lässt - für längere Zeit in der sündigen Stadt residierte, um ähnlich einer der bekannten Vegas-Shows mehrmals wöchentlich am gleichen Ort aufzuspielen. Mancherorts verpönt als Auffangbecken für alternde Showstars, findet man sich unter anderem bei Mötley Crüe, die an gleicher Stelle bereits zwei Mal für mehrere Wochen gastierten, dennoch in guter Gesellschaft. Entsprechend eingespielt ist die Band, entsprechend lange konnte man experimentieren, bis dieser Mitschnitt die gewünschte Form annahm. Nachteile muss man hingegen hinsichtlich des Publikums in Kauf nehmen, das bei dieser Form von Veranstaltung eben nicht nur aus Fans und anderen Die-Hard-Anhängern besteht, sondern auch aus Schaulustigen und Touristen, die Axl und Co. einfach mal dem Cirque de Solei oder Jerry Seinfeld vorgezogen haben. Wohl hauptsächlich deshalb könnte das Publikum während der kompletten Show gerne etwas euphorischer sein und mehr mitgehen, doch leider scheinen nur die ersten paar Reihen aus wirklich willigem Rockervolk zu bestehen. Da kann man beim Abmischen noch so sehr den Regler für die Publikumslautstärke nach oben ziehen - Ekstase sieht anders aus. Dabei machen die Vollblutprofis auf der Bühne eigentlich alles richtig und bieten neben unzähligen Gunners-Klassikern ("It's so easy", "Civil War", "Don't cry", "Nighttrain", "Rocket Queen", "You could be mine", "Welcome to the Jungle", "Paradise City") und einigem Material von Axls "Soloalbum" eine tadellose Show, wobei sich vor allem die Gitarristen DJ Ashba, Ron "Bumblefoot" Thal und Richard Fortus als echte Aktivposten herausstellen, die unter normalen Umständen jedem anderen Publikum Beine gemacht hätten. Besonders bei DJ Ashba (auch bei Sixx A.M. aktiv) sitzt jede noch so lässige Rockstar-Pose, weshalb der Frauenschwarm vor "Sweet Child O Mine" auch mit einem hydraulischen Podest hinter dem Drumkit mal eben mehrere Meter über die restliche Band emporgehoben wird, um auch in luftiger Höhe die Vorzeigerocksau zu geben. Das lässt sich alles schon sehr nett an, aber für den Chef himself darf es noch eine Spur extravaganter sein. So wird für Axl Rose extra zur Pink Floyd-Coverversion "Another Brick in the Wall" ein im etwas klischeehaften Vegas-Style (Würfel, Karten, Jetons und jede Menge Glitzer) gehaltenes Piano von der Hallendecke gelassen. Damit ist es natürlich noch nicht getan, denn für den folgenden Meilenstein "November Rain" hebt die Plattform samt Piano und Frontmann wieder vom Bühnenboden ab und schwebt leise und sicher direkt über die Köpfe der Fans. Das ist schon ein ziemlich cooler Moment von "Appetite for Democracy", doch leider verhaut Rose ausgerechnet in dem Moment gleich mehrfach seine Töne. Nur gut, dass da zwei Akrobatinnen an von der Hallendecke hängenden langen Tüchern gewissermaßen zur Hilfe eilen und mit ihren meisterlichen Kabinettstückchen einen Teil der Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich ziehen. In Las Vegas darf es eben von allem ein bisschen mehr sein und so geizen auch Guns N Roses nicht: weder mit Hits, noch mit LED Wänden, dem einen oder anderen Pyro-Effekt, diversen wechselnden Outfits (vor allem des Frontmannes) und leicht bekleideten Showgirls. Das einzige was fehlt, sind jegliche Ansagen, denn Mr. Rose war noch nie der große Kommunikator und wird es in diesem Leben auch nicht mehr werden. Nur all zu bezeichnend, dass ausgerechnet das einzige Originalmitglied bei den als Bonusteil herhaltenden Musiker-Interviews natürlich fehlt. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Dafür lässt die "Mehr ist mehr" Show kaum Wünsche offen, die Bildschärfe ist überragend, die 3D Effekte größtenteils gut in Szene gesetzt und der Sound glasklar, wenn auch hier und da etwas zu poliert (warum man ausgerechnet bei "November Rain" nicht noch einmal Hand angelegt hat, bleibt unbeantwortet). Auf jeden Fall ist man aber auf der Höhe der Zeit und bietet den nach wie vor zahlreichen Fans einen sehr ordentlichen Gegenwert fürs Geld. Was man hingegen nicht kaufen oder rekonstruieren kann, ist die Aura und die Magie der Originalbesetzung. Aber damit dürfte eh niemand gerechnet haben.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de