Europe "War of Kings" - Tour Edition / VÖ 04.12.2015

 

 

Und noch eine Neuauflage pünktlich zur Weihnachtszeit: Europe präsentieren anlässlich ihrer Europashows die Tour Edition von "War of Kings", einen Re-Release des diesjährigen Albums, der den Fans im schicken Digibook Offerten macht. Abgesehen von der neuen Verpackung hält man sich mit zusätzlicher, unveröffentlichter Musik verdammt zurück. Lediglich ein einziges schnödes Instrumental bildet den Mehrwert zur regulären Version. Bevor jetzt die ersten Anhänger Schaum vorm Mund bekommen sei erwähnt, dass der Hauptkaufanreiz eine ebenfalls beigelegte DVD sein soll, eine topaktuelle noch dazu, denn sie zeigt das komplette Konzert der Schweden auf dem diesjährigen Wacken Open Air.

 

Womit sich direkt die erste Frage aufdrängt: Warum um alles in der Welt muss eine Truppe wie Europe in Wacken auf der Zeltbühne ran? Zynikerantwort: Vermutlich weil im Wrestlingzelt und auf dem Wikingermarkt schon alle Bühnen belegt waren. Da darf man schon mal horizontal den Kopf schütteln, wechselt dann aber unweigerlich zur vertikalen Kopfbewegung, denn das gezeigte Live-Set kann sich durchaus sehen und hören lassen. Bei "Superstitious" etwa funktionieren schon früh die klassischen Mitsingspielchen von Sänger Joey Tempest, dem unumstrittenen Aktivposten und Chef im Ring, während sich die übrige Band leider nicht unbedingt vor Hemmungslosigkeit überschlägt. Wenn man sich so auf die Entertainerqualitäten seines Frontmannes verlässt, muss man sich nicht wundern, wenn die Stimmung wie im vorliegenden Fall etwas euphorischer sein könnte. Und das obwohl es am Set wenig auszusetzen gibt, denn "The Beast", "Last Look at Eden" und "Ready or not" rocken ordentlich, das erst kurz vor Schluss präsentierte "Days of Rock ´n´ Roll" ist schweinecool (wird aber unverständlicherweise eher distanziert aufgenommen) und der unschlagbare Klassiker "Rock the Night" geht sowieso in jeder Situation. Tempest versucht hier sogar den musikalischen Schulterschluss mit den deutschen Fans und baut Rammsteins "Du hast" in den Song ein. Angesichts dieser eher schnarchigen Vorstellung des Publikums ist es schon verwunderlich wie laut selbiges auf "Live at W:O:A 2015" abgemischt wurde. Die Vermutung ist nahe liegend, dass hier im Nachhinein ganz kräftig am Gesamtsound gedreht wurde, was Europe zum einen nicht nötig haben und zum anderen kräftig Authentizität kostet, denn durch diesen Soundschwindel wollen einige hochgereckt Arme und der dazu gemischte jubelnde Sturm der Begeisterung mal so überhaupt nicht zusammenpassen. Nur ein Mal, zum Ende des knapp 90-minütigen Konzerts, drehen die Wackinger so richtig auf, nämlich ausgerechnet zu einem der abgegriffensten Rocksongs der Gegenwart. Bei "The Final Countdown" geht plötzlich alles, sogar einige Crowdsurfer fliegen über die Köpfe der eher älteren Semester. Warum nicht gleich so?

 

Bonusmaterial gibt es übrigens keins, und man kann selbstverständlich wieder über Sinn und Unsinn einer solchen Veröffentlichung diskutieren. Während manche mit Fanabzocke argumentieren, könnte man das Pferdchen allerdings auch andersherum aufzäumen: Denn Europe hätten den Wacken Gig auch einfach als für sich stehende Live-DVD zum gleichen Preis veröffentlichen können. Wenn man so will gibt es das aktuelle Album umsonst obendrauf. Alles eine Frage der Perspektive.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de