Europe „Live at the the Shepard’s Bush“ / VÖ 19.08.2011


 

 

Totgenudelt, bis zur Unkenntlichkeit verschandelt und zu oft zu schlecht gecovert. Europe sind eine dieser Bands, bei der 95 Prozent aller Nicht-Rocker im Brustton der Überzeugung behaupten, dass sie nur einen einzigen Hit geschrieben hat. Ist natürlich Humbug, aber dass der Song, dessen Name nicht genannt werden darf, auf „Live at the Shepard’s Bush“ nicht fehlen darf, ist ebenso klar.

Auf den Tag genau ein halbes Jahr ist der hier eingefangene Auftritt aus London erst her, wenn dieser CD/DVD-Doppelschlag hierzulande erscheint. Man war also schnell und hat sich rangehalten, sodass dieser Mitschnitt – wie es im Grunde immer sein sollte – topaktuell ist und sich mit dem Programm der aktuellen bzw. kürzlich absolvierten Tour beschäftigt. Das heißt, dass der Fokus zwar einerseits auf „Last Look at Eden“ (2009) liegt, man es anderseits aber nicht zu weit damit treiben darf, da man noch genug andere Klassiker im Repertoire hat, die es ebenfalls unterzubringen gilt. So zum Beispiel die Endachtziger-Pudelhymne „More than meets the Eye“, oder „Superstitious“, beide von „Out of this World“. Der Auftakt von „Live at the Shepard’s Bush“ gehört hingegen sehr wohl der Gegenwart, denn zuerst gibt es einen Doppelschlag mit dem ultra-epischen Titeltrack (samt Breitband-Prelude) und „The Beast“ (das Joey Tempest witzigerweise auf deutsch einzählt) von der aktuellen Scheibe, bevor mit „Rock the Night“ der erste Überklassiker gezündet wird. Das Mischverhältnis Prä-/Post-Reunion-Phase stimmt auch danach, „Start from the Dark“, „Always the Pretenders“ und „Love is not the Enemy“ vertreten die letzten drei Alben, während die 87er Powerballade „Carrie“ die einstigen Teenies und Groupies der Hair Metal Hochphase verzückt, die – sofern weiblich – die inzwischen in den späten Vierzigern befindlichen Mucker immer noch anzuschmachten wissen.

Auf der DVD ist die Tracklist natürlich komplett, wohingegen die CD ein paar wenige Abstriche machen muss, was bei unnötigen Soloeinlagen jedoch absolut zu verschmerzen ist. Zusätzlich punktet die audio-visuelle Scheibe mit ebenfalls professionell gefilmtem Material von zwei Auftritten vor großem Publikum in der schwedischen Heimat als großzügige Dreingabe (immerhin noch mal zwölf Nummern), wohingegen das gut gemeinte Backstage-Filmchen viel zu kurz geraten ist und zudem mit einem durchgehenden, störenden Bildeffekt nervt. Aber das ist nur die Zugabe, das Kernprogramm dieser beiden Scheiben überzeugt in Güte, Auswahl und (zu perfektem?) Klang und lässt beim Fan kaum Wünsche offen.

 

Markus Ruttenwww.sounds2move.de