Eisregen “Marschmusik“ / VÖ 14.08.2015

 

 

Zugegeben, es fällt mir etwas schwer, unvoreingenommen an das neue, mittlerweile elfte Eisregen Album „Marschmusik“ heranzugehen. So ist das halt mit den Bands, die man einmal wirklich geliebt hat, die einen dann aber zunehmend enttäuscht haben. Doch objektiv betrachtet haben die Thüringer hier sicherlich kein schlechtes Album abgeliefert. Mit dem Opener, der gleichzeitig der Titeltrack ist, und dem folgenden „Blutkreis“ hat man sogar zwei ausgesprochen gelungene, atmosphärische ruhige Düsternummern mit Black Metal Touch abgeliefert, wobei zweitere sogar noch einen eingängigen Chorus mitbringt. Das bereits von der vorab EP „Brummbär“ bekannte „Gott der Panzer“ ist gar ein veritabler Ohrwurm (wobei die Version auf der EP etwas schmissiger daher kam). Man ertappt sich jedenfalls dann und wann dabei, „Mein Gott ist ein Panzer“ vor sich hin zu singen, auch wenn die Platte nicht läuft (hoffentlich hat es keiner gehört...). Aufs Tempo gedrückt wird auf „Marschmusik“ eher selten („Bunkertür“, „Foltergeist“), dafür gibt es von kuriosen Keyboardklängen dominierte Midtemponummern („Leichensack“, „Fleischbrand“), die leichte Rammstein-Anleihen nicht verbergen können. „Adlerhorst“ und „Mein Leben auf deiner Haut“ sind unspektakuläre, ruhig bis melodische Stücke, wobei letzterer Song offenbar eine Reminiszenz an Clive Barker ist. Jedenfalls wird der Slogan der „Bücher des Blutes“ indirekt zitiert. Etwas außergewöhnlicher wird es nochmal zum Ende des gut 50-minütigen Albums. Die Polka-Nummer „Panzerschokolade“ war bereits auf der EP, aber das von einer Orgel dominierte „Was von dir bleibt“ sorgt noch einmal für einen Farbtupfer. Die Orgel, wenn auch mehr im Hintergrund, ist auch beim Bonussong „Pervertin Peter“ zu hören, der inhaltlich allerdings eher eine Fortsetzung von „Panzerschokolade“ ist und nichts mit dem verstorbenen Carnivore/Type 0 Negative-Frontmann zu tun hat.

 

Dass bei einer so erfahrenen Band wie Eisregen – in diesem Jahr feiert man 20-jähriges Jubiläum - spiel- und soundtechnisch alles im Lot ist, darf man erwarten. Frontmann M. Roth hat bei seinen Darbietungen eine gute Mischung aus seiner „Blutkehle“ und dem mittlerweile verbesserten Klargesang gefunden. „Marschmusik“ ist also ein Album, das man sich durchaus anhören kann (die Fans haben es eh längst gekauft). Dass sich bei mir nicht die Begeisterung einstellt, die Eisregen um die Jahrtausendwende bei mir ausgelöst haben, ist wahrscheinlich der normale Gang der Dinge. Auch die jüngst erschienene neue Slayer hat in mir nicht die Gefühle geweckt, die ich hatte, als ich 1986 zum ersten mal „Reign in Blood“ hören durfte. Dennoch ist „Repentless“ ein gutes Album (aber ein anderes Thema).

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de