Edgar Allan Poe Projekt „Visionen“ / VÖ 26.05.2006

Seien wir ehrlich. Man muss nicht immer 90 Jahre alt werden um einen tiefen Fußabdruck in der Geschichte zu hinterlassen. Erst recht nicht, wenn es um Künstler geht. Auch wenn manche erst tot sein müssen bevor man ihre wertvolles Vermächtnis vollständig erkennt. Beispiele gibt es Dutzende. In der Musik etwa Freddie Mercury (wurde 45 Jahre alt) oder Kurt Cobain und Jimi Hendrix (wurden nur 27). Ein Prominentes Beispiel aus der Literatur ist Edgar Allan Poe, der in nur 40 Lebensjahren eine beeindruckende Vielzahl an späteren Klassikern der düsteren Literatur verfasst hat.

Einige Prominente Namen der Gegenwart haben sich nun zusammengetan um dem am 07. Oktober 1849 verstorbenen US-Amerikaner auf besondere weise Tribut zu zollen. Zwei CDs umfasst „Visionen“, eine davon im Hörbuchformat, gelesen von allerlei nationalen wie internationalen Bekanntheiten. So liest zum Beispiel Oomph!-Frontman und Literaturfreund Dero das Stück „Traumland“. Des „Verwunschenen Palasts“ nimmt sich Schauspieler Jan Josef Liefers an und Iris Berben kredenzt „Die Schläferin“ sowie „Ein Traum“. Außerdem liest der multilinguale Weltstar Christopher Lee „Ein Traum in einem Traum“ und das vielleicht bekannteste Poe-Stück „The Raven“. In Sachen Musik geht es ähnlich hochkarätig zu. Inspiriert von den Werken des Mannes, dessen Todesursache bis heute noch immer nicht zu 100% geklärt ist, geben sich Bands wie Subway to Sally („Finster, Finster“) und L’âme Immortelle („Dein Herz“) die Klinke in die Hand. Anspruchsvoll zeigt sich dabei beispielsweise auch das „Lied für Annabel Lee“, dargeboten von Alexander Veljanov, besser bekannt als die Stimme von Deine Lakaien. Stimmlich ähnlich stark wie Veljanov zeigt sich die in Frankfurt am Main geborene Mara Kim bei „A Dream within a Dream“, das stimmlich und musikalisch streckenweise an „My Immortal“ von den US-Rockern Evanescence erinnert. Neben Secret Discovery und den Jungen Tenören darf natürlich auch der Opern-erfahrende Christopher Lee nicht fehlen, der seinen dritten Beitrag an diesem Werk in gesungener Form von „Elenore“ beisteuert.

Ähnlich wie bei einem guten Buch sollte man auch diese Doppel-CD in aller Ruhe und aufmerksam verfolgen. Bügelmusik und ähnlich niveaufreies Bla-Bla wie auf dem Hörbuch von Dieter Bohlen erwartet hier hoffentlich niemand. Das Edgar Allan Poe Projekt punktet durch Anspruch und eine hochwertige Umsetzung. Ganz nebenbei kann der unvoreingenommene Hörer auch noch sein Wissen und seinen Horizont erweitern. Die Ausrede „Ich hab keine Zeit und Lust so ein Buch zu lesen“ gilt ab heute nicht mehr, denn auf „Visionen“ wird Konsumentenfreundlicherweise vorgelesen. Also Ohren auf und los.

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 30.05.2006