Dream Theater "Score : 20th Anniversary World Tour - Live with the Octaviarum Orchestra" / VÖ 25.08.2006

Zur Feier ihres 20jährigen Bestehens haben die Progressive Metal Könige Dream Theater einen Live-Mitschnitt auf 3-CD bzw. 2-DVD veröffentlicht. Obwohl seit der letzten offiziellen Konzertaufnahme „Live At Budokan“ gerade mal ein neues Studioalbum veröffentlicht wurde, macht der Release von „Score“ im Anbetracht des bedeutenden Jubiläums und in Hinblick auf die ungewöhnliche Setlist durchaus Sinn.

Wie auch Abend für Abend auf ihrer „Octavarium World Tour“ eröffnete die Band das am 1. April 2006 in der New Yorker Radio City Music Hall aufgenommene Konzert mit zwei Stücken vom aktuellen Album „Octavarium“, in diesem Fall dem rockigen „The Root Of All Evil“ und der U2-Verbeugung „I Walk Beside You“, bevor chronologisch jede Phase der Bandgeschichte mit einem repräsentativen Song abgedeckt wurde. Beginnend bei „Another Won“, einer ganz frühen und bisher nie offiziell veröffentlichten Nummer aus Majesty-Tagen, wird der Hörer mit auf eine diesmal nicht von Kevin Shirley, sondern von Michael H. Brauer kompetent abgemischte Zeitreise genommen. Auffällig sind vor allem die starke Leistung von Sänger James LaBrie und die unübliche Songauswahl, die zwar die erwarteten Hits vermissen lässt, aber dafür die Überschneidungen mit früheren Live-Alben in Grenzen hält. Besonders interessant wird dabei die „Falling Into Infinity“-Ära abgehandelt, nämlich mit „Raise The Knife“, einem Song der zwar für genanntes Album komponiert wurde, es aber letztlich nicht darauf schaffte und höchstens eingefleischten Fans als Demo von der Fanclub-CD „Cleaning Out The Closet“ bekannt sein dürfte. Ein Schattendasein, das dieses starke Stück nicht verdient hat, wie seine überaus gelungene Aufführung auf „Score“ eindeutig beweist. Außerdem gibt es „Afterlife“, den Knaller „Under A Glass Moon“ und, für mich die einzige kaum nachvollziehbare Wahl, „Innocence Faded“ in mitreißend dargebotenen Versionen zu bestaunen. Den Abschluss des ersten Konzertteils bildet die Hymne „The Spirit Carries On“, die hier im Gegensatz zur „Live Scenes“-Fassung leider ohne gesangliche Unterstützung von Theresa Thomason auskommen muss, aber dafür von Gitarrengott John Petrucci mit einem geschmackvollen Solo eingeleitet wird. Noch außergewöhnlicher ist das zweite Set, das die Band im Zusammenspiel mit einem 30-köpfigen Orchester bestreitet. Vorweg ist aber festzustellen, dass dieses Unternehmen in Sachen Perfektion etwas hinter den sehr hoch gesteckten Erwartungen zurück bleibt. Das Orchester hatte gerade einmal zwei Tage zum üben, und diese kurze Einarbeitungszeit schlägt sich streckenweise auch in Timing-Schwächen und spielerischen Unsauberkeiten des sogenannten „Octavarium Orchestras“ nieder. Da die Aufnahmen keine Overdubs enthalten, finden sich die Schnitzer auch ungeschönt auf „Score“ wieder, was manchem Perfektionisten vielleicht sauer aufstoßen mag, andererseits zumindest ein authentisches Live-Flair der Aufnahmen garantiert. Und wer über solche Mängel großzügig hinwegzusehen in der Lage ist, für den bietet auch dieser Teil des Mitschnittes reichlich magische Momente.

Ich jedenfalls bekomme jedes Mal wieder Gänsehaut, wenn ich das „Grand Finale“ des komplett dargeboteten, 40-minütigen „Six Degrees Of Inner Turbulence“ höre. Auf Selbiges folgt mit „Vacant“ ein kurzer Stop beim „Train Of Thought“-Album, bevor mit der schönen, aber leider textlich etwas arg plakativen Ballade „The Answer Lies Within“, dem großartig gespielten „Sacrificed Sons“ (hier sitzt auch die Orchestrierung einwandfrei !) und dem Longtrack „Octavarium“ wieder das neuesete Studiowerk der New Yorker bedacht wird. Als Zugabe gibt es noch den Übersong „Metropolis“ vom Meilenstein „Images & Words“, bei dem sich das Orchester im Mittelteil bei den schrägen Breaks doch noch ziemlich achtbar schlägt. Alles in allem also trotz der kleinen Mäkel ein Pflichtkauf für Dream Theater-Fans.

Florian Gothe – www.sounds2move.de / 11.09.2006 (Gastkritik)