Dream Theater "Black Clouds & Silver Linings" / VÖ 26.06.2009

 

 

Mit Dream Theater war es ja die letzten Jahre so eine Sache. Als schlecht kann man sicher kein Album der Band bezeichnen. Trotzdem war es offenbar, dass die New Yorker mit ihren letzten drei Studiowerken an der Marke, die sie selbst mit Glanzstücken wie "Images And Words", "Awake" oder "Scenes From A Memory" gesetzt haben, nicht einmal mehr kratzen konnten. Dementsprechend ängstlich war man als geneigter Fan auch beim Auflegen der neuen Scheibe "Black Clouds & Silver Linings", weil man sich fragte, ob es vielleicht einen weiteren Schritt im Abfallen der Formkurve der Vorzeige-Prog-Metaller dokumentieren würde.

 

Dererlei Bedenken zerstreut jedoch schon der 16-minütige Opener "A Nightmare To Remember" mit Nachdruck. Hartes Riffing, getragene Passagen, virtuose Soli und packende Melodien greifen hier wieder so selbstverständlich ineinander wie schon lange nicht mehr und bescheren uns damit den besten DT-Longtrack seit "Six Degrees Of Inner Turbulence". Nach diesem furiosen Auftakt fällt die Single "A Rite Of Passage" zwar merklich ab, versprüht aber dank des Ohrwurm-Refrains, des treibenden Hauptriffs und eines angenehm schrägen Solos von John Petrucci immer noch genügend Charme, um nicht als Ausfall zu gelten. Die folgende Ballade "Wither" hingegen stellt sich als recht unspektakulär dar und wird nach einigen Durchläufen zum ersten Kandidaten für die Skip-Taste. Mit "The Shattered Fortress" geht es dann aber wieder so richtig los. Es handelt sich dabei um den letzten Teil der AA-Saga, die mit "The Glass Prison" begonnen wurde und zitiert daher viele Parts der bisherigen vier Teile. Dadurch wirkt das Stück auf den ersten Blick etwas zerfahren, wächst aber mit der Zeit deutlich und dürfte natürlich vor Allem jenen Spaß machen, die schon die anderen Teile gut fanden. Darauf folgt mit "The Best Of Times" ein überraschend lockerer Abgesang auf Mike Portnoys verstorbenen Vater. Dass sich der Song im Mittelteil durch kleinere Längen kämpfen muss verzeiht man sofort, wenn Gitarrengenie Petrucci am Ende zu seinem wunderbaren Solo ansetzt, mit dem er den Spagat zwischen Gefühl und Technik in Perfektion meistert. Zum Abschluss gibt es dann mit "The Count Of Tuscany" einen weiteren richtig langen Brocken, der neben dem Opener das Highlight von "Black Clouds & Silver Linings" darstellt. Stellt "A Nightmare To Remember" eher die harte Seite in den Vordergrund, zeigt "The Count Of Tuscany" auch lockerere Artrock-Einflüsse auf und begeistert vor Allem mit einem sich kunstvoll steigernden, hochmelodischen Finale.

 

Das Songmaterial ist also durchweg stark. Zudem bleibt noch lobend festzustellen, dass der Sound absolut gelungen ist und nicht so aufdringlich daher kommt, wie auf dem Vorgänger "Systematic Chaos". Auch auf textlicher Ebene bleiben einem peinliche Monster-Lyrics wie "The Dark Eternal Night" (Systematic Chaos) oder platte Oberlehrermoral wie in "The Answer Lies Within" (Octavarium) diesmal zum Glück erspart, obwohl man hier zum Tiefgang vergangener Tage dennoch nicht zurück gefunden hat. Alles in allem also eine tolle Scheibe und für mich die beste Dream Theater-Platte seit "Six Degrees Of Inner Turbulence". Sehr stark!

 

Florian Gothe – www.sounds2move.de / 27.06.2009