Die Ärzte „Bäst of“ / VÖ 06.10.2006

 

 

Nach der Veröffentlichung ihres letzten Album „Geräusch“ (ein Doppelalbum) im Jahr 2003 und gewohnt ausgedehnten Touraktivitäten, sowie der Wiederveröffentlichung des einst indizierten und Ende 2004 von der BPjM als unbedenklich wieder freigegebenen Albums „Debil“ (2005 als „Devil“ mit Bonusmaterial neu aufgelegt) und der DVD „Die Band die sie Pferd nannten“ (2004), widmen sich Farin Urlaub und Bela B. seit einiger Zeit ihren Soloaktivitäten. Erst 2007 wollen die Ärzte wieder mit einem neuen Album durchstarten, doch zuvor steht die Veröffentlichung der Best-of-Compilation „Bäst of“ und das Silvesterkonzert „Ärzte statt Böller“ am 31.12. 2006 im Rhein-Energie-Station Köln auf dem Programm.

 

Der aufmerksame Leser wird jetzt sagen „Moment. Was ist denn mit ‚Das Beste von kurz nach früher bis jetzt’? Das war doch schon mal eine Best-of“. Vollkommen richtig, allerdings erschien diese Doppel-CD im Jahr 1994 und entstand damals hauptsächlich auf Drängen der damaligen Plattenfirma CBS, die zu dem Zeitpunkt von Sony geschluckt wurde. Zudem bedient besagtes Album nur das Schaffen der Band von 1982 bis 1994, wohingegen „Bäst of“ sich dem Schaffen von 1993 bis zur Gegenwart widmet. Enthalten sind auf der 1. CD (knapp 90 Min.!) sämtliche Singleauskopplungen, die seit dem Album „Die Bestie in Menschengestalt“ das Licht der Welt erblickt haben, wie etwa „Rebell“, „Hurra“, „3-Tage-Bart“, „Unrockbar“ oder „Nichts in der Welt“. Interessant ist an dieser Zusammenstellung vor allem der Überblick über die Entwicklung der Band und die mehr als deutlich werdende Tatsache, dass Die Ärzte seit jeher mehr als „nur Punk Rock“ gespielt haben, was div. musikalische Ausbrüche allein im Bezug auf die Auskopplungen dokumentieren. Dabei bedienen Die Ärzte von Ska über Minimal-Electro bis Pop nahezu alle Genres, ohne dabei die eigenen Markenzeichen außer acht zu lassen. Doch was wären Singles ohne B-Seite? Eben – und auch diese haben Bela B. Farin U. und The Rod mit in die schmucke Metalbox, in der „Bäst of“ ausgeliefert wird, gepackt. Wer also noch nicht alle Singles im Schrank stehen hat,  vielleicht auch weil diese in Sammlerkreisen mitunter hoch gehandelt werden, der kann sich an Songs wie „Regierung“ von der „Schunder Song“-Single oder dem augenzwinkernden Stück „Biergourmet“ erfreuen, das aufgrund eines verpassten Einsatzes aus dem Unplugged-Album „Rock N Roll Realschule“ genommen wurde. Dazu gesellen sich die für B-Seiten ungewöhnlich populären Stücken „Wunderbare Welt des Farin U.“, „Saufen“, „Ein Lied über Zensur“ und „Backpfeifengesicht“, welche die Ärzte von ihrer gewohnt unterhaltsamen Seite zeigen. Mit der abschließenden „Zusamm’fassung“ kriege ich an dieser Stelle wunderbar die Kurve zu meinem Statement über experimentierfreudige Ader von Die Ärzte. Denn besagter 13-Teiler nimmt den Zuhörer mit auf eine musikalische Sight-Seeing-Tour, die unter anderem im Funk, bei karibischen Steeldrum-Klängen,  bei klassischem Heavy Metal (inkl. Double-Base-Salven und Eunuchen-Screams), Trance, Ska-Punk, Grindcore (!) und jazziger Loungemusik Station macht.

 

Der Die-Hard Fan wird vermutlich alle enthaltenen Songs bereits in seiner Sammlung haben und das Teil evtl. nur aus Gründen der Sammlungsvollständigkeit kaufen. Alle anderen bekommen mit „Bäst of“ fast 3 Stunden Musik und natürlich Die Ärzte in Reinkultur. Oder sagen wir besser: Den optimalen Party-Soundtrack für Gesellschaftskritiker, Anarchos mit Hirn und Nicht-Ausverkauf-Rufer. Und alle, die als DJ unterwegs sind, werden sich sowieso für diesen Platz sparenden Service dankbar zeigen.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 02.10.2006