Delain „We are the Others“ / VÖ 01.06.2012

 

 

 

Wenn Delain dieser Tage ihr drittes Album “We are the Others” veröffentlichen, liegen einige turbulente Monate und Jahre hinter der Band. Nach zwei überaus erfolgreichen Alben und dazugehörigen exzessiven Touraktivitäten drehte sich das Besetzungskarussell kräftig, und zu allem Überfluss kam dann auch noch das Chaos beim Label Roadrunner dazu, die „pünktlich“ zur Veröffentlichung des Albums diktiert bekamen, alle Filialen in Europa zu schließen. Harter Tobak…

Und was machen Delain? Sie lassen sich nicht entmutigen oder stecken den Kopf in den Sand, sondern liefern das vielleicht souveränste Album ihrer bisherigen Karriere ab. Ob es auch das Beste ist, muss die Zeit zeigen – zumal die Messlatte nach „Lucidity“ und „April Rain“ schon enorm hoch liegt. Das Zeug dazu hat die Scheibe aber definitiv, denn was wie ein ermüdendes Zitat aus dem Klischee-Antworten-Baukasten für Musiker klingt, trifft den Nagel im Falle der Niederländer mitten auf den symphonisch rockenden Kopf: „We are the Others“ verbindet nämlich tatsächlich die härtesten mit den bisher poppigsten Momenten des Delain’schen Schaffens. Wohlgemerkt fast ohne den Einsatz von bösen Grunts, wenn man mal von einem überraschenden Gastspiel von Burton C. Bell (Fear Factory) auf „Where is the Blood“ absieht. „Mother Machine“ etwa brettert zu Beginn erst einmal mächtig los, es setzt fette Metal-Riffs und ein kurzes Solo, bevor Goldkehlchen Charlotte Wessels für mehr Vertrautheit sorgt. Fans des bisherigen Schaffens fühlen sich auch bei „Best Shot“ sofort heimisch, das recht Delain-typisch arrangiert ist, einen luftigen Chorus bereithält und in den Strophen von satt brummenden Gitarren untermauert wird. Ähnlich ist „I want you“ aufgestellt, das ebenfalls bekannte Trademarks mit deutlich erhöhtem Metalfaktor kombiniert und das Gaspedal noch mal ein Stück weiter gen Bodenblech tritt. Beim Härtegrad scheint der Einfluss der neuen Saitenfraktion am stärksten ausgeprägt zu sein, denn „We are the Others“ pumpt und schiebt zeitweise schon recht ordentlich, was sich wirklich gut macht. Das tolle an Delain und ihrem dritten Album ist, dass sie auch komplett anders können: „Are you done with me“ muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, denn hier geht es sehr hymnisch und eingängig zu. Während das Schlagzeug sanft im Hintergrund agiert, öffnet sich dieser Ohrwurm im Chorus, der Song blüht regelrecht auf und wird zum Seelenschmeichler allererster Güte. Die Zielgruppe wird das nicht verschrecken, gleichzeitig hat man aber einen heißen Kandidaten darauf, sich ein noch breiteres Publikum untertan zu machen. Und der bemerkenswerte Text des Titeltracks ist ohnehin sehr universell und ein Aufruf zur Individualität, in dem sich jeder Nicht-Spießbürger sofort wiedererkennen können wird.

Manchen Bands wünscht man mehr Mut zur Melodie, anderen den Mut zu mehr Härte. Delain trauen sich beides und das auch noch auf ein und demselben Album. Altbekanntes neu interpretieren und zugleich Neues doch irgendwie vertraut wirken lassen, dieses Kunststück hat das Quintett spielerisch gelöst. Damit wäre bewiesen, dass die Entwicklung dieser herausragenden Band noch lange nicht abgeschlossen ist.

Markus Rutten - www.sounds2move.de