Delain "The Human Contradicion" / VÖ 04.04.2014

 

 

 

Ich will es gleich zu Beginn zugeben: Seit dem Debüt "Lucidity" haben es mir Delain angetan, denn nicht nur die Selbstverständlichkeit, mit der die junge Truppe einen tollen Song nach dem anderen präsentiert, verlangt Respekt. Fan-Brille? Vielleicht. Im Zweifel mal ein Auge zudrücken? In Ausnahmefällen denkbar. Mit jedem neuen Release der Niederländer geht allerdings längst auch eine gewisse Nervosität einher, denn irgendwann muss doch mal ein Hänger kommen, möglicherweise sogar ein schlechteres Album, wenigstens aber ein Hauch von matter Stagnation. Wann also schlagen die ungeschriebenen Gesetze des Rock zu?

 

Der Tag X wird kommen, aber dieser ist es nicht. "The Human Contradiction" nimmt einen ziemlich genau dort wieder an die Hand, wo uns "We are the Others" mit einem zufriedenen Lächeln 2012 zurückgelassen hat. Na gut, ein paar Schritte hat man in der Zwischenzeit natürlich trotzdem gemacht. Immerhin hat man zwischendurch nicht nur das Label gewechselt (von Roadrunner zu Napalm), sondern auch eine Compilation mit dem passenden Titel "Interlude" veröffentlicht und sich auf dem Weg auch die eine oder andere frische Inspiration geholt. Ins Auge (bzw. Ohr) fällt etwa das recht düstere "Here come the Vultures" mit seinen leicht unheimlichen Momenten und der zwischenzeitlich gesummten Melodie. "Army of Dolls" könnte im Gegensatz dazu als recht klassischer Delain-Track durchgehen, er wird aber von einem wiederkehrenden Dancebeat aufgelockert, der Gott sei Dank nie zu aufdringlich wird und dem Stück so eine frische Note verleiht. Darin liegt generell eine Stärke von Delain, nämlich, dass sie sich zwar Neuem öffnen, man aber auch sehr sensible Antennen dafür hat, was und wie viel dem Song gut tut und gleichzeitig die eigene Identität nicht zu sehr verwässert. Seit jeher wurden zum Beispiel den Riffs symphonische Elemente an die Hand gegeben, das Mischverhältnis aber stets so ausbalanciert, dass einem Schlagworte wie "kitschig" oder "klebrig" gar nicht erst in den Sinn kommen. Und genau so macht es auch "The Human Contradiction" wieder, das frisch und selbstbewusst klingt, aber zu jeder Sekunden klar heraushören lässt, mit wem man es zu tun hat. Selbstverständlich bedeutet dies auch, dass lieb gewonnene Traditionen weiter gepflegt werden, sodass auch das vierte Album des Quintetts nicht ohne Gastbeitrag bleiben muss. Neben dem Delain bereits seit dem Debüt freundschaftlich verbundenen Marco Hietala (Nightwish, Tarot) ist dieses mal auch noch George Oosthoek (Ex-Orphanage) dabei, der dem facettenreichen Ohrwurm "Tell Me, Mechanist" mit seinen markigen Grunts einen kräftigen Punch verleiht. Last but not least spuckt auch noch Alissa White-Gluz, die mittlerweile ihren Posten bei The Agonist geräumt hat und unlängst als Nachfolgerin von Angela Gossow bei Arch Enemy präsentiert wurde, auf dem eleganten Midtempo-Stampfer "The Tragedy of the Commons" Gift und Galle. Letztlich sind diese Freundschaftsbesuche (zu nennen wäre noch Georg Neuhauser von Serenity, der sich in die Backing Chöre eingeklinkt hat) aber nur die Kirsche auf einem ohnehin überaus leckeren Happen Symphonic Rock/Metal, da Delain auch ganz ohne fremde Hilfe jederzeit glänzen können. Das verdankt man auch der wie immer überragenden Charlotte Wessels, vor allem aber Hook-Monstern wie "Stardust". In dieser Form gehören die Niederländer zweifelsfrei zum Besten, was das Genre aktuell und in den letzten Jahren zu bieten hatte.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de