Callejon "Wir sind Angst" / VÖ 09.01.2015

 

 

 

Selten durfte man sich über einen Tritt in den Arsch mehr freuen, als im Falle von "Wir sind Angst", dem fünften Album von Callejon. Das Quartett treibt darin nämlich alle seine bisherigen Stärken noch mal auf die Spitze, was in einem Abriss gipfelt, gegen den in diesem noch jungen Jahr wohl keine andere Truppe des Genres mehr wird anstinken können. Noch Luft nach oben? Schwer vorstellbar!

 

Mit Selbstüberschätzung hat der Text von "Veni Vidi Vici", auch wenn er mehr eine Kampfansage, denn Selbstbeweihräucherung ist, dann auch mal so gar nichts zu tun. Denn der in diesem Weltklasse-Mosher besungene Thron gehört in der Tat niemand anderem als den glorreichen fünf von Callejon! Wie viel geiler bitte als in "Ich lehne leidenschaftlich ab" (Hit!), "Dunkelherz" (Hit²!) und "Raketen" (Hit³) sollte man Metalcore noch spielen können?! Der Fuß: am Bodenblech. Härteregler: am Anschlag. Hitpotential: jenseits jeder Skala. So gesehen haut einen "Wir sind Angst" erst mit der Nagelkeule zu klump, verarztet einen aber umgehend wieder mit Melodie-Morphium, sodass man nur selig grinsend durch diesen Sturm aus schnittigen Riffs, Drum-Gewitter und nach mehr schreienden Abgehnummern taumelt und nach 40 Minuten nicht ganz sicher ist, was gerade mit einem passiert ist. Um nach diesem Trip fast ohne Nebenwirkungen (von akuten Nackentraumata und geschundenen Stimmbändern mal abgesehen) wieder runter zu kommen, servieren Callejon auch diesmal wieder die obligatorische Ballade. Die hört diesmal auf den Titel "Erst wenn Disneyland brennt" und lässt ein Album ausklingen, das man sich trotz des bereits beeindruckenden Vorgängers nur in seinen kühnsten Träumen derart mitreißend hätte vorstellen können. Daran sind auch die Texte von Bastian Sobtzick maßgeblich beteiligt, der sich nach subjektiver Meinung des Autors einen harten Kampf um die Pole Position der derzeit besten deutschsprachigen Texter in der alternativen/harten Musik mit Joe Walter von Jennifer Rostock liefert. Die besungenen "1000 PS" bringen die Rheinländer jedenfalls ohne Reibungsverlust auf die Straße und starten damit dermaßen durch, dass die Konkurrenz bei einer Band in dieser Verfassung auf unbestimmte Zeit nur die Rücklichter sehen wird. So setzen Callejon Nadelstich auf Nadelstich ohne großes Drumherumgelaber und mit scharfer Zunge auf den Punkt gebracht. Dabei lässt man keinen Zweifel daran, dass die Party nach dem "Stimmungs-Cover-Album" "Man spricht deutsch" erst mal vorbei ist, denn man unterstreicht nachdrücklich wie wütend man auf die derzeitige Welt ist und spricht dabei vermutlich dem engagierte, kritischen Teil einer ganzen Generation aus der Seele. Zu blöd, dass Callejon keine Partei sind - mein Kreuzchen hätten sie sicher. Schon allein weil sie hinter dem stehen was sie sagen und es dabei nicht jedem recht zu machen versuchen.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de