C(K)allejon „Man spricht deutsch“ / VÖ 10.01.2013
Callejon
haben das Unmögliche geschafft: Sie haben Tokio Hotel Eier
verpasst. Wie sie das gemacht haben? Ganz einfach: indem sie deren
Schmachthit „Durch den Monsun“ gecovert und auf Metalcore getrimmt
haben – Screams und Doublebase inklusive. Nachzuhören auf „Man spricht
deutsch“, der neuen EP der Überflieger. Neben der Auswahl der Künstler
(dazu später mehr) überrascht vor allem das Tempo, mit dem diese
Coverscheibe nachgeschoben wird. Immerhin haben Viele noch die
unwiderstehlichen Hits vom Kaliber „Kojote Ugly“, „Atlantis“ und „Was
bleibt seid ihr“ der letzten Studioscheibe im Ohr.
Den Fans kann es egal sein, und auch alle anderen dürfen sich auf eine
astreine Partyplatte freuen. Ohne jegliche Skrupel ballern und riffen
sich Callejon, die sich ausnahmsweise mit K (für Krawall) schreiben,
einmal quer durch die deutschsprachige Musiklandschaft und zertrümmern
dabei mit Vorliebe Stücke, die eigentlich so überhaupt nichts mit Rock,
geschweige denn Metal am Hut haben. Das mit ordentlich Dampf im Kessel
vorgetragene „Hier kommt Alex“ (Die Toten Hosen) lag ja noch halbwegs
auf der Hand. Doch abgesehen davon und von „Schrei nach Liebe“ (Die
Ärzte) bietet „Man spricht deutsch“ auch diverse Kuriositäten, die –
und das ist das bemerkenswerte – nicht nur (ob gewollt oder nicht)
direkt mitgesungen werden können, sondern auch richtig Freude machen.
Mit Hilfe der Buddies K.I.Z. wird etwa eine Auf-die-Fresse-Version der
90er Trash-Perle „Ich find’ dich scheiße“ (Tic Tac Toe) aufgetischt, an
anderer Stelle muss die Neue Deutsche Welle dran glauben, wenn „Major
Tom“ (Peter Schilling) punkig runtergezockt wird. Immer noch nicht
absurd genug? Wie wäre es dann mit „Mein Block“ von Ex-Maskenmann Sido?
Wahlweise werden auch „MfG" (Fanta 4) und „Schwule Mädchen“ (Fettes
Brot) ins Rennen geschickt. „Alles nur geklaut“ (natürlich ebenfalls
enthalten)? Ja, aber fetzt trotzdem, weil man die Songs sofort
mitschmettern kann und die anfängliche Skepsis schnell in amüsierte
Partylaune umschlägt. Ein wenig schade ist, dass man sich bei den
vertretenen Künstlern stets auf den vermeintlich populärsten Hit
beschränkt hat, anstatt ein etwas höheres Risiko zu gehen. Was wiederum
den Vorteil hat, dass wirklich JEDER wenigsten Dreiviertel des Liedguts
aus dem Effeff kennt und niemand außen vor gelassen wird. „Man spricht
deutsch“ setzt eine alte Idee sehr gut und mutig um und verdient
deshalb bedenkenlos das Prädikat Kaufempfehlung. Experiment geglückt!
Markus Rutten - www.sounds2move.de
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Dass
es Coveralben bei der Verfasserin dieser Zeilen definitiv nie leicht
haben, muss an dieser Stelle nicht gesondert erwähnt werden. Was
unterscheidet nun aber „Man spricht deutsch“, die aktuelle Scheibe der
Düsseldorfer Callejon, von den Coveralben, die es in der letzten Zeit
sonst so auf dem Markt zu ergattern gab? Nun ja, kurz und knackig
gesagt: eigentlich so ziemlich alles. Wie jetzt? Keine Rezension, bei
dem ein Coveralbum in noch so kleinen Einzelstücke zerrissen wird?
Nein! Ganz im Gegenteil. Vanessa Vogl
- www.sounds2move.de
Callejon bedienen sich nicht nur an Songs, die aktuell hoch im Kurs
stehen, sondern greifen auch auf richtig schicke Kultklassiker zurück
(„Major Tom“, „Alles nur geklaut“). Aber Callejon wären nicht Callejon,
wenn sie sich nicht ein besonderes Schmankerl einfallen lassen würden –
und damit meine nicht nur in Sachen Unterstützung durch Gastmusiker wie
K.I.Z. („Ich find dich scheiße“) oder Bela B. Die Songs werden eben
nicht nur originalgetreu wiedergegeben, nein, sondern erhalten
natürlich das Etikett mit der fettgedruckten Aufschrift
„Callejon-like“. Billig abkopieren kann heutzutage ja jeder, aber
gerade beim Ärzte-Klassiker „Schrei nach Liebe“ oder dem gleich erneut
festklebenden Fettes-Brot-Ohrwurm „Schwule Mädchen“ erwischt man sich
nicht nur gelegentlich dabei, dass man die Coverversion beinahe besser
als das Original findet. Genretechnisch – nun ja, formulieren wir es
mal so – weit aus dem Fenster gelehnt haben sich Vokalist Bastian und
seine Bandkollegen mit ihrer Version von Sidos „Mein Block“. Ich muss
an dieser Stelle dazu sagen, auch wenn mir der Callejon-Stil bei weitem
besser gefällt als dieses Aggro-Gehoppe, ein Freund dieses – ja, wir
wählen noch einmal eine stilvolle Formulierung – Tiefniveausongwritings
werde ich auch 2013 nicht wirklich werden.
Insgesamt haben die Düsseldorfer aber eine wirklich runde Sache auf's
Parkett gelegt bzw. auf Platte gepresst. Fett, ohrwurmlastig und doch
irgendwie einzigartig. Coverversionen wie diese habe ich noch nie
gehört und vor allem dann auch noch für gut befunden. Callejon-Freunde
und -Fans können getrost zugreifen, falsch machen kann man auch bei
nichteigenen Songs definitiv nicht wirklich viel. Ansonsten ist „Man
spricht deutsch“ ohne Zweifel einen Lauscher wert.