Borknagar „Urd“ / VÖ 23.03.2012
Schaut
man sich in den Metal Archives den Eintrag zu Borknagar an, wird als
Genre „Black Metal/Progressive Viking/Folk Metal“ und als lyrische
Themen „Nature, Science, Cosmos, Mythology“ angegeben. Und genauso
speziell klingt der Sound der Norweger auch!
Ich
habe mir das Teil nun wirklich schon ein paar Mal durchgehört, was
wenig an meinem Ersteindruck ändert, dass Borknagar hören eine gewisse
Ähnlichkeit hat mit der Erfahrung, von einem mit Lichtgirlanden und
ähnlichem behangenen Fahrrad angefahren zu werden. Das mag nun erst
einmal reichlich abstrus klingen – erlaubt mir deshalb, die Metapher zu
erklären: Ein Fahrrad und nicht etwa ein Lastwagen oder dergleichen,
weil das Album aus Gründen, die ich noch kurz erläutern werde,
schlichtweg nicht so viel Wucht hat wie ein Lastwagen. Und wieso die
Lichtgirlanden? Weil der Sound der Norweger so was von bunt daherkommt
mit all seinen Moll- und Dur-Akkorden, Synthies und vielgestaltigen
Vocals. Der Vergleich hinkt jedoch zugegebenermaßen etwas. Sind wir uns
nämlich einig, dass es eine unangenehme Erfahrung ist, von einem
Fahrrad angefahren zu werden, so kann ich dasselbe nicht
uneingeschränkt von „Urd“ behaupten.
Einerseits
habe ich als Purist nämlich große Mühe mit solch überreichen
Kompositionen. Für mich kommt das Ganze stellenweise einfach klebrig
rüber mit all den Keyboards, Synthies, Samples usw.. Es treffen so
viele verschiedene Tonspuren aufeinander, dass jegliches Entstehen von
Wucht im Keim erstickt wird. Zudem trifft man hie und da auf etwas gar
uninspirierte, wenig treibende Riffs, die dann auch noch zu häufig
wiederholt werden. Auf der Positivseite steht dafür vor allem der
äußerst abwechslungsreiche Gesang. Von BM-Screams über Growls bis hin
zu Klargesang gibt es alles zu hören. Noch dazu ist alles sehr gekonnt
und stilbewusst ausgeführt und wird auf interessante Weise abgewechselt
und miteinander kombiniert. Durch den schicken Gesang und die ein oder
andere schöne Melodie entsteht dann auch hie und da ein catchy Refrain.
Und mit viel Goodwill könnte man sogar der scheinbaren Überladenheit
des Sounds etwas Positives abgewinnen – so gibt es nämlich auch beim
x-ten Durchlauf noch Neues zu entdecken.
Trotzdem
muss ich das Fazit ziehen, dass es für mich auf Borknagars neuntem(!)
Streich „Urd“ zu viel Amorphis und zu wenig Blutmond hat. Wer jedoch
eine große Affinität zu progressiver Musik hat und auch vor sehr, sehr
reich bestückten Soundkulissen nicht zurückschreckt, kann sicher mal
reinhören, zumal das Teil auch ganz ordentlich produziert ist.
Richard Hänzi - www.sounds2move.de