Bon Jovi „These Days“ / „7800° Fahrenheit“  - Re-Releases / VÖ 21.05.2010

 

 

 

New Jerseys erfolgreichster Rock-Export legt seinen gesamten Backkatalog neu auf. Grund genug für uns zwei Alben der Megastars noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir haben uns für das Frühwerk „7800° Fahrenheit“ und die bluesige Göttergabe „These Days“ entschieden.

 

Die Einleitung lässt es schon durchblitzen: Eine wirklich objektive Meinung zu genannten Alben darf nicht erwartet werden, schon allein weil eines der Alben für mich zu den besten Rock-Scheiben der letzen 20 Jahre gehört. Doch beginnen wir mit Bon Jovis zweitem Studiowerk, nämlich „7800° Fahrenheit“. Von gewissen geschmacklichen Fehltritten der jüngeren Vergangenheit in Form der zugegeben ultra-erfolgreichen Singles „It’s my Life“ (~schauder~) und „Have a nice day“ war man damals noch Lichtjahre entfernt. Als wirklicher Klassiker wird das Album trotzdem weder damals noch heute wahrgenommen, obwohl sich etwa mit „The hardest part is the Night“ und „In and out of Love“ durchaus ein paar tolle Songs auf dem Album finden. Vielmehr steht dieser Longplayer (man beachte das legendäre „Pudel-Foto“ auf der Rückseite der Originalpressung!) primär als das Bindeglied zwischen dem charmanten Debüt „Bon Jovi“ und dem kommerziellen Paukenschlag „Slippery When Wet“ in den Annalen des Rock.

 

„These Days“ hingegen erschien, als Bon Jovi längst Weltstars und Dauergäste in den größten Arenen und dem damals noch existenten Musikfernsehen waren. Umso überraschender war die Tatsache, dass dieses Album vor allem textlich für einen Mainstream-Rockact überaus düster ausfiel. Düster und gar religionskritisch, man nehme sich nur mal eine Minute und lese sich die Texte von „Hey God“ und vor allem „Somthing to believe in“, möglicherweise einem der stiefmütterlichsten und zugleich besten Texte, die Jon Bon Jovi je geschrieben hat, aufmerksam durch. Überhaupt glänzt „These Days“ mit textlicher Unantastbarkeit, sei es die „Ode an die Schreibblockade“ namens „My Guitar lies bleeding in my Arms“ (Pathos!), der schwermütige Titeltrack oder das minimalistische und trotzdem fast schon bedrückende „Diamond Ring“, von dem auf der aktuellen Neuauflage auch eine hörenswerte Live-Version zu finden ist. Handwerklich bietet „These Days“ übrigens ungewohnt offensichtliche Blues-Zugeständnisse, denen dieses Album zusätzlichen Tiefgang verdankt.

  

Gerade ganz jungen Riffjüngern, die Bon Jovi genau wie Nickelback als Hausfrauenrocker unwissenderweise eher belächeln, rate ich dringend dazu, sich mal in den Backkatalog der Megastars rein zu hören, denn dort finden sich nicht nur unzählige Evergreens, sondern auch wirkliche Großtaten, die ihr Aschenputteldasein keinesfalls verdienen, selbst wenn man Jon Bon Jovi und Co. vor allem mit ihren Stadionhymnen in Verbindung bringt. Wer Songs wie „Something to believe in“ oder „Dry County“ geschrieben hat, verdient seinen Platz auf dem Rock-Olymp und kann sein eigenes Denkmal auch mit allen „It’s my Life“’s dieser Welt nicht demontieren. Auch wenn ich auf die ganzen Dauerwellenhausfrauen und Brustbeutel-tragenden Sozialpädagogen auf den Konzerten gerne verzichten könnte: Bon Jovi stehen völlig zu recht dort, wo sie heute nun einmal stehen – nämlich ganz oben.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 28.05.2010