Blue October "Sway" / VÖ 30.08.2013

 

 

Wer seinen Rock am liebsten hart und laut genießt, der ist bei Blue October mal komplett falsch und kann das Weiterlesen im Grunde direkt einstellen. Wie seine Vorgänger ist nämlich auch "Sway" kein rasanter Höllenritt und schon gar keine Partyplatte. Im Gegenteil präsentieren uns die Amis ein alternatives Rockalbum, das man am ehesten mit den Verben melancholisch, nachdenklich und emotional beschreiben kann.

 

Dabei sollte man nicht den Fehler machen, emotional und entwaffnend ehrlich mit weinerlich zu verwechseln. Sänger Justin Furstenfeld schreibt nämlich seit jeher sehr autobiografisch und legt dabei einen Seelenstrip hin, wie man es in der Unterhaltungsbranche nur selten erlebt. Seine Texte haben dabei sowohl einen therapeutischen Wert, als auch einen ernsten Hintergrund, denn der Frontmann leidet seit Teenager-Tagen an Depressionen, was bei schweren Schüben im Interesse des Selbstschutzes auch schon zu Konzertabsagen führte. Bevor hier aber zu viel Mitleid gestreut und zu viel Trübsal geblasen wird, soll erwähnt werden, dass "Sway" lyrisch nicht mehr so düster daher kommt wie "Any Man in America", sondern eher den positiven Ausgangspunkt von "Approaching Normal" aufgreift und sogar weiter ausbaut. Hiervon zeugen Songtitel wie "Angels in Everything" (ebenso wie "Put it in" und "Hard Candy" einer der schwungvolleren Songs) oder aber "Not broken anymore". Letzterer ist gleichzeitig auch der letzte richtige Song auf "Sway" und stellt den finalen Seufzer eines streckenweise zerbrechlich wirkenden Albums dar - zerbrechlich wie der derzeit stabile und positiv ausgerichtete Stimmungszustand des musikalischen Gehirns von Blue October. So war es möglich ein Album zu komponieren, das schwermütig klingt, ohne wirklich schwerfällig zu sein, sondern sich durch einen luftigen Sound auszeichnet, der den überwiegend gedrosselten Songs schon beim zweiten oder dritten Durchgang eine wundervolle Aura verleiht, während sich zumeist im Hintergrund dezente Sample- und Elektronika-Einschübe einschleichen.

 

Wie man "Sway" genau beschreiben soll, ist die Frage die bleibt. Man könnte "Light you up" eine gewisse Nähe zu Radio-Aufsteiger Alex Claire attestieren, übrigens die einzige Nummer, die noch einmal kurz die Rap-Einlagen des Vorgängers aufgreift. In gewissen Momenten wäre es sogar nicht mal abwegig, Porcupine Trees kommerziell verwertbarstes Werk "Deadwing" heran zu ziehen, um dem Gehörten einen Namen zu geben. So richtig gerecht wird man Blue October dabei trotzdem nicht, denn obwohl das hier irgendwie Alternative Rock ist, möglicherweise auch dezente Ansätze von Post-Grunge auszumachen sind, klingt das Quartett einfach viel zu eigenständig, um handfesten Vergleichen ein wirklich solides Fundament zu bieten. Das wird einem spätestens dann klar, wenn man über eine Nummer wie "Things we do at Night" stolpert, der man beim besten Willen kein anderes Etikett zu verpassen vermag außer eben "Blue October". Auf verschlungenen Pfaden und befeuert von persönlichen Schicksalsschlägen und deren Aufarbeitung ist es Justin Furstenfeld und seinen Kollegen gelungen, sich nicht einfach unterwürfig zwischen die Stühle zu setzen, sondern sich ihren eigenen Schemel zu schnitzen. Allein aufgrund dieser Leistung würde ich den vier Texanern den längst verdienten Durchbruch in Europa von Herzen gönnen.

Markus Rutten - www.sounds2move.de