Blink 182 „California“ / VÖ 01.07.2016
Wie haben ein paar Düsseldorfer Haudegen es mal so schön formuliert: Drei
Akkorde für ein Halleluja. Das könnte auch das Motto der Spaßpunks Blink 182
sein, die vor allem um die Milleniumwende sagenhafte Erfolge verzeichnen konnten
und deren Hits damals trotz Nackedeivideo aus dem Musikfernsehen (ja, liebe
Kinder - sowas gab es damals noch!) nicht weg zu denken waren. Seitdem sind
einige Jahre ins Land gegangen, einem Split 2005 folgte 2009 die Reunion, und so
sitzen wir jetzt hier im Jahre 2016 und sprechen über das siebte Album namens
„California“.
Alles wie damals? Doch neue Pfade? Oder aber die Grundsatzfrage: Will man von
dem Trio überhaupt neue, unbekannte Pfade begangen sehen? Ich persönlich wäre in
dem Fall eigentlich total zufrieden, wenn man sich selbst treu bleibt und
einfach mundgerechten Pop-Punk mit tonnenweise gängigen Hooks serviert. „She’s
out of her Mind“ liefert auch genau das: eine wunderbar klebrige Melodie,
Singalongs und die typische Melodieführung, die schon vor 15 Jahren bestens
funktioniert hat. So ganz wie früher ist aber trotzdem nicht alles, denn im
letzten Jahr gab man die Trennung von Gründungsmitglied und Gitarrist/Sänger Tom
DeLonge bekannt, die nicht gänzlich geräuschlos vonstattenging. Als Nachfolger
ist jetzt Matt Skiba (Alkaline Trio) mit von der Partie, was allein stimmlich zu
gewissen Veränderungen führt, ohne jedoch die bewährten Parameter grundsätzlich
über Bord zu werfen. Und doch wollen Blink 182 nicht bloß ihr lange Zeit
gepflegtes Pop-Punk-Image beibehalten, sondern zeigen auf „California“ auch,
dass sie musikalisch schon längst gereift sind und ihre Songs anno 2016 durchaus
vielseitig sind und auch vermehrt Raum lassen für ernstere Themen und
Stimmungen. Klar: Auch früher gab es Ausnahmen wie etwa „Adam’s Song“ und die
Teenager-Ballade „I miss you“, aber dennoch wirken „Home is such a lonely Place“
und das bittersüße „San Diego“ erwachsener, bei „California“ wird es sogar
richtig melancholisch. Wer hätte das den etwas naiven Burschen zugetraut, die
vor vielen Jahren für einen Videodreh mal einen Obdachlosen dafür bezahlt haben,
sich eine Glatze schneiden zu lassen oder Stripperinnen für Gartenarbeit
engagiert haben? Natürlich stecken auch die Skateboard-Rotzlöffel aus dem
kalifornischen Süden nach wie vor in Blink 182, diese kindgebliebenen Jungs, die
weder schlechtes Wetter noch schlechte Laune kennen. Deshalb erlaubt man sich
auch mal einen 17-Sekunden-Song wie „Built this Pool“ oder die Wochenendhymne
„Kings of the Weekend“ mit ihrem simplen, aber einprägsamen Riff. Doch allein
für diesen unterhaltsamen, aber eher selten tiefgründigen Bubblegum-Punk steht
das Trio mit mittlerweile 40 und mehr Lebensjahren auf dem Buckel eben nicht
mehr. Lieber erlaubt man sich auch mal ein Experiment wie das explosive, Fall
Out Boy-mäßige „Los Angeles“, das sich sogar schnell als eines der Highlights
der Platte herauskristallisiert.
Ein Kompliment muss man allein schon dafür vergeben, dass die Stücke auf
„California“ ausnahmslos funktionieren, egal ob sie nun alte Tugenden
beschwören, sich nachdenklich präsentieren oder auch mal unerwartete Direktiven
einschlagen. Dieses Album ist weder Bruch mit der Tradition, noch unverhohlenes
Selbstzitat, sondern nicht weniger als ein reflektierter Blick auf die eigene
Vergangenheit, bei dem auch die Trennung von Jugendfreund Tom DeLonge seine
Spuren hinterlassen und den Blick für durchaus grundsätzliche Fragen des Lebens
geschärft hat. Nach diesem Album kann niemand mehr behaupten, Blink 182 würden
lediglich von uralten Erfolgen zehren, denn was uns hier vorliegt ist definitiv
das stärkste Album seit „Take off your Pants and Jacket“.
Markus Rutten - www.sounds2move.de