Blind Guardian "A Twist in the Myth" / VÖ: 01.09.2006

Eines vorweg: Ganz objektiv kann ich bei dieser Band einfach nicht sein. Schließlich waren es Blind Guardian, die mich zum Metal gebracht haben. Dementsprechend aufgeregt fieberte ich " A Twist in the Myth" entgegen. Und nun, wo ich es in den Händen halte und intensiv gehört habe, da stellt sich mir glatt die Frage: Was ist das hier eigentlich? Irgendwie ist dieses Album so ganz anders als erwartet. Zwar finden sich durchaus Zitate von vom Vorgängeralbum, siehe beispielsweise "Otherland" mit seinen wuchtigen Chören, aber ich kann beim besten Willen nicht sagen, wo der rote Faden ist bei diesem Album. Nicht falsch verstehen, man spürt schon, dass es einen gibt, man weiß nur nicht wo. Und selbst wenn man die letzten 10 Jahre intensiv die BG-Discographie rauf und runter gehört hat, wie ich es getan habe, wird man aus diesem Album nicht schlau.

Die Songs auf "A Twist in the Myth" sind sehr vielschichtig. "This will never End" ist ein recht klassischer BG-Opener und in eine ähnliche Kerbe schlägt auch "Otherland". "Turn the Page" ist die herausragendste Nummer von allen, einfach ein absoluter Party-Song, der zum mitsingen und abgehen einlädt. "Fly" und "Skalds and Shadows" sind schon von der Single bekannt, ich muss allerdings gestehen, dass mir "Dead Sound of Misery", die dunkle Version von "Fly" besser gefällt, während "Skalds" eine weitere Traumballade im Repertoire der Krefelder darstellt, die sicher auch Live gut rüberkommen wird. "Carry the Blessed Home" ist das Paradebeispiel für das erwähnte Problem, während "Another Stranger Me", die kommende zweite Single-Auskopplung wieder alte und neue Stärken in sich vereint und etwas in der Tradition von "Imaginations..." steht. Und dann gibts auch gleich wieder ne gehörige Portion Verwirrung, weil "Straight Through the Mirror" wieder mal so und mal so ist. Zu Gut um schlecht zu sein, aber irgendwie trotzdem ganz schön merkwürdig. Auf jeden Fall hat der Song ein großartiges Solo. Weiter geht es mit "Lionheart", hier ist es ebenso wie beim Vorgänger. "The Edge" wird dann wieder etwas klarer, und begeistert vor allem durch ein tolles Riffing und einen sehr eingängigen Chorus. Mit "The New Order" schließt der reguläre Teil des Albums klassisch mit einem bombastisch angelegten Track, welcher am besten verdeutlicht, was an "A Night at the Opera" zuviel war. Genau das wurde hier nämlich weggelassen. 

Harter Tobak, den Blind Guardian uns da kredenzen. Definitiv nichts mehr für zwischendurch, noch weniger als beim Vorgänger. Mit diesem Album kann man sich Wochen auseinandersetzen, ohne es auch nur ansatzweise zu verstehen - da bin ich mir sicher. Die Krefelder sind verdammt künstlerisch geworden, sehr progressiv und noch epischer als früher. Gleichzeitig aber ist "A Twist in the Myth" hundertmal bodenständiger als "A Night at the Opera". Mit diesem Album haben Blind Guardian etwas geschaffen, was sich mit nichts außer ansatzweise ihren eigenen Werken vergleichen lässt. Ich weiß nicht, ob es gut ist, weil ich dieses Album einfach nicht verstehe. "A Twist in the Myth" macht seinem Namen jedenfalls alle Ehre, weil es wirklich was ganz anderes ist, aber eben doch nicht so anders.... Um mal die Lyrics zu zitieren: "...come, take a look, breathe it in, Artificial Wonderlands, we are wondering around, things shall vanish, they won`t last...". Dieses Album ist absolut einzigartig. Das ist das einige wirkliche Urteil, dass ich abgeben kann. Welcome to the Otherland!

Michael Bruns - http://www.sounds2move.de/ / 05.09.06