Blind „The Fire Remains“ / VÖ 17.09.2010

 

 

 

Vor einem Jahr haben Blind einen mutigen Schritt gewagt, denn das Quartett hat sich von Majorlabel und Bookingagentur getrennt und die Geschäfte selbst in die Hand genommen, eigenes Label inklusive. Die Fans mussten somit länger als ursprünglich geplant auf „The Fire Remains“ warten, das uns nun endlich beglücken soll.

 

Und Blind sind 2010 nicht nur selbstständiger geworden, sondern auch ihr Sound ist insgesamt nachdenklicher. Eine rapide Kurskorrektur oder Kehrwende um 180° wurde allerdings mitnichten vollzogen, denn das zweite Album der Koblenzer überrumpelt einen mit nichts, was „Blind“ nicht auch schon hatte oder bereits andeutete (vgl. „These are the Days“, „Today I break loose“). Kokettierte man auf dem Debüt zeitweise noch gar mit metallischer Härte („Triple X“, „Break Away“), liebäugelt man inzwischen lieber mit Post-Rock-iger Verträumtheit, ohne dabei ein gesundes Maß Popappeal aus den Augen zu verlieren. Zum Glück wurde uns die grandiose Rock-Ballade „Teenage Dreams“ mit ihrem Seelenschmeichler-Refrain nicht vorenthalten, obwohl diese Nummer eigentlich schon ein paar Jährchen auf den Buckel hat und erst jetzt zu Longplayer-Ehren kommt. Dem ruhigeren Gesamttenor zum Trotz, hat der Vierer auch das rocken nicht verlernt („Room without a View“) und sich zudem den einen oder anderen Ausreißer in neue Klangsphären wie etwa anstreinen Electro Rock („Time is running out“) erlaubt. Blind verleugnen zu keinem Zeitpunkt ihre Wurzeln, machen aber dennoch einen Schritt vorwärts und gehen das eine oder andere Wagnis ein. Etwas zu meckern finden? Wird schwierig, denn dieses Album bietet wenig Angriffsfläche für Kritik. Erleichternderweise ist diese Tatsache nicht mit Stromlinienförmigkeit gleichzusetzen, sondern einfach mit einem reifen, mit sich selbst in Reinen befindlichen Longplayer zu erklären. Somit sind Blind 2010 so etwas wie die sympathischen, bodenständigen Indi-Jungs von nebenan. Aber waren sie das vorher nicht sowieso schon?

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 18.09.2010