Beyond the Black  "Lost in Forever" / VÖ 12.02.2016

 

 

 

Also bei aller Liebe, jetzt mal im Ernst: Irgendwas an Beyond the Black ist doch nicht ganz koscher, und das riecht jeder neutrale Beobachter drei Meilen gegen den Wind. Diese Truppe wirft vielmehr gleich mehrere Fragen auf: Wer soll glauben, dass eine junge deutsche Band ohne Referenzen, die noch dazu in einem Nischen-Genre agiert, aus dem Stand von einem Major unter Vertrag genommen wird? Oder dass deren Demo die Wacken-Veranstalter dazu veranlasste, sie im letzten Jahr ohne Zögern auf ihr Festival zu holen, wo doch allein durch den Metal Battle schon ordentlich ausgesiebt wird welche der zahlreichen Newcomer aus aller Welt (!) überhaupt einen Fuß auf holsteinische Wiesen setzen dürfen?

 

Interessanterweise hat auch keiner der als Bandmitglieder aufgeführten Musiker auch nur bei einem einzigen Song einen Vermerk in den Credits, genau genommen haben sie abgesehen von Sängerin Jennifer Haben bei den Aufnahmen nicht mal einen Fuß ins Studio gesetzt. Dass Gitarrist Nils Lesser zumindest bei einem Song "zusätzliche Keyboards" (was immer das bedeuten mag) beisteuern durfte, macht die Sache nicht besser. Nun ist es natürlich keinesfalls verwerflich, sich beim Songwriting Unterstützung von außen zu holen, das haben auch die ganz Großen im Geschäft gemacht: Michael Jackson oder Elvis Presley etwa. Popsternchen Miley Cyrus hat ihren Hit "Wrecking Ball" von nicht weniger als fünf Autoren geschrieben bekommen. Der Teufel weiß wie viele gerissene Komponisten hinter der Musik von Schulmädchenbefeuchter Justin Bieber stecken. Und trotzdem hinterlässt es ein Geschmäckle, dass Beyond the Black als Band, mehr noch sogar als Retter vermarktet werden, die "eine klaffende Lücke im Female Fronted Metal schließen" (O-Ton Pressemitteilung). Was denn für eine Lücke? Wir sprechen hier immerhin von einem Genre, das sich seit Jahren gesundschrumpft und dabei nicht mal vor Veteranen und Mitbegründern wie Theatre of Tragedy Halt macht. Noch dazu könnten die Niederlande und Finnland dieser Tage das Genre komplett unter sich aufteilen, ohne dass der ganz große Verlust dabei zu beklagen wäre. Somit sind die PR-Märchen, die rund um Beyond the Black gesponnen werden, schon mal Kokolores, wenn man ehrlich ist. Dass man mit der ersten Platte "Songs of Love and Death" auch einen Abstecher zum Sat1 Frühstücksfernsehen hat über sich ergehen lassen - geschenkt. Schließlich haben auch die Schwergewichte Within Temptation einst das Angebot angenommen, die Hausmütterchen beim ZDF Fernsehgarten mal so richtig zu erschrecken.

 

Dass die Authentizität gegen Null tendiert, macht "Lost in Forever" natürlich noch lange nicht zu einem schlechten Album, ebenso wenig der kommerzielle Erfolg des Vorgängers, den wohl auch dieser Zweitling ein Jahr später wieder verzeichnen wird. Musikalisch gibt es an dieser Platte nämlich wenig auszusetzen, aber dass das Duo Sascha Paeth & Miro Rodenbach (Avantasia, Kamelot, Edguy) und einige eher Rock-fremde Vordenker ihr Handwerk verstehen, ist auch kein Geheimnis. So ist nicht nur der ohrwurmige Titeltrack fett produziert, der mit viel Bedacht auch ein paar mundgerechte Grunts spendiert bekommen hat, sondern gleich das ganze Album klanglich über jeden Zweifel erhaben. Entsprechend nachvollziehbar sind die einzelnen Songs strukturiert, was "Lost in Forever" leicht zugänglich macht und jegliche Eingewöhnungszeit für Genrefreunde quasi von vornherein ausschließt. Selbige legen dem Businessplan der Denker und Lenker im Hintergrund zufolge offenbar auch durchaus Wert auf eine nicht gerade unterschwellige Portion Pathos, dem unter anderem mit "Against the World" Rechnung getragen wird. Doch egal wohin die (leider etwas überraschungsarme) Reise geht, alle Songs wurden auch und vor allem Frontfrau Jennifer Haben auf den Leib geschrieben. Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee, denn ihre Stimme kann sich hören lassen und ist angenehm, wenngleich die weibliche Stimmreferenz im mittleren Tonbereich (Charlotte Wessels und Sharon den Adel, jemand?) nun sicher keine schlaflosen Nächte haben wird. Zum Glück haben sich die Macher entschieden, nicht auf eine Sopranstimme zu setzen, denn zum Einen sind daran schon unzählige Anwärter musikalisch grandios gescheitert und zum Anderen ist ohnehin quasi ausgeschlossen, dass irgendjemand den Damen Simons/Jansen/Turunen in die Parade fahren könnte. Was den Rest der (Live-)Bandmitglieder angeht, so sollte diesen zumindest die generelle Konstellation bei Beyond the Black zu denken geben, denn wer songschreiberisch nichts beisteuert und (Achtung, Juristendeutsch!) somit nur Erfüllungsgehilfe ist, kann grundsätzlich jederzeit vor die Tür gesetzt und ausgetauscht werden. Nicht auszuschließen, dass das dann hinterher nur den Wenigsten auffallen würde. Böse Zungen, die Beyond the Black als Castingband bezeichnen, schießen womöglich übers Ziel hinaus oder verfehlen zumindest den Kern der Sache. Eher sind sie wohl als eine Art Coverband zu sehen, die ihre Musik allerdings maßgeschneidert bekommt, anstatt die Songs ihrer Helden nachzuspielen. Ob das auf lange Sicht die absolute Erfüllung ist, wird sich noch zeigen.


Markus Rutten - www.sounds2move.de