Arkona „Yav“ / VÖ 24.04.2014

 

 

Zugegeben: Mit dem letzten Arkona Album „Slovo“ bin ich im Nachhinein betrachtet wohl etwas zu hart ins Gericht gegangen. Das dort Gebotene schwebt immer noch meilenweit über dem, was das Gros der Pagan Metal Konkurrenz so abliefert. Dennoch bin ich weiterhin der Meinung, dass ein gewisser Übersättigungseffekt zu verspüren war. Um diesem vorzubeugen hat die russische Ausnahmeband zweierlei getan. Zum einen hat man sich für das siebte Studioalbum „Yav“ für Arkona-Verhältnisse relativ viel Zeit gelassen, nämlich fast drei Jahre. Zum anderen hat man auch der stilistischen Ausrichtung eine kleine Kurskorrektur verpasst. Die folkloristischen Instrumente sind etwas in den Hintergrund getreten, dienen mehr den songstrukturellen Feinheiten. Damit einher geht auch, dass dem Album eine eher düstere Atmosphäre (mit einigen ungewohnten Black Metal Einflüssen) anhaftet und die fröhlichen Elemente nahezu ganz aus dem Sound verschwunden sind. „Yav“ klingt in seiner Gesamtheit sehr progressiv, was es einem schwer macht, mit dem Album warm zu werden (insbesondere mir, der eigentlich eher auf Bauch- als auf Kopfmusik steht). Doch wenn man sich eingehört hat, bietet einem der einmal mehr überlange (fast 70 Minuten) Rundling einen wirklich nachhaltigen und teilweise auch wieder ergreifenden Hörgenuss.

 

Schon der über neunminütige Opener “Zarozhdenie“ lädt einen mit seinen dunklen „Omm“-Chören zu Beginn in die düsteren Tiefen der „Yav“-Welt ein. Nach typischem Mascha-Geflüster und eher klassischem Einstieg der Rhyhtmussektion, übernimmt dann überraschenderweise eine Orgel das Ruder bevor es auch schon Zeit für den ersten ruhigen Zwischenpart mit Mascha-Klagegesang wird. In den ersten drei Minuten passiert hier mehr als anderswo auf ganzen Alben. Es ist jedenfalls mutig, ein Album mit so einem sperrigen Teil zu beginnen. Mit Black Metal Getöse startet dann „Na strahze novyh let“. Masha relativiert ihr viehisches Gekeife immer gleich wieder mit ihrer Normalo-Stimme. Und ziemlich schnell setzen orientalisch angehauchte folkloristische Parts als Gegenpol ein. Im weiteren Verlauf dominieren dann das Folk versetzte Midtempo mit immer wieder eingesprungenen Gewaltausbrüchen. Ein echtes Highlight des Albums. Gleiches gilt für die folgende Ballade „Serbia“. Eine Hymne an das slawische Brudervolk in eindeutiger „Rus“-Tradition – allerdings wesentlich verspielter. Sicherlich auch der eingängigste Song des Albums. „Zov pustyh dereven“ beginnt mit Akustikgitarre, nur um dann urplötzlich in Black Metal Raserei auszubrechen. Doch auch diese hält nicht lange an, und Masha steigt zu einem typisch slawisch-melancholischen Arkona-Midtemposong ein. Spätestens wenn dann die Geige einsetzt und die Raserei zu Mashas abwechselndem Gebrülle und Sprechgesang zurückkehrt, ist die Gänsehaut da. Im weiteren Verlauf wechseln sich dann ruhige, Midtempo und schnelle Parts ab. Das anschließende „Gorod snov“ ist mit knapp 5 Minuten der kürzeste Song des Albums und stellte eine ruhige Nummer dar, die progressive und folkloristische Elemente gekonnt gegenüber stellt. Hier fließt auch dezenter cleaner Männergesang in das Klangbild mit ein. Klar ist aber, dass hier erneut Masha mit ihrer „Sehnsuchtsstimme“ dominiert. Mit einer kleinen „Hexenverbrennung“ beginnt „Ved´ma“. Das ebenfalls eher ruhige und folkige Stück wird zunächst von Gastsänger Thomas Väänänen (ex-Thyrfing) dominiert, der ein klein wenig skandinavische Einfärbung mitbringt. Mit Mashas Einsatz wird das Ganze noch epischer und hymnischer. Nach gut zwei Minuten wird dann auch noch mal der Knüppel aus dem Sack gelassen und ordentlich Fahrt aufgenommen. „Chado indigo“ beginnt mit einem von Trommelschlägen unterlegten Masha-Erzählpart, der in ein Klavierintro übergeht bevor forsche Gitarren das erste Rhythmusgewitter einläuten, das in einem Mitgehstampfer mündet. Doch schon bald macht sich wieder slawische Melancholie breit, und die Orgel kehrt auch zurück. Dann darf einmal mehr Mashas Sohn Radimir einen Sprechpart beisteuern, und das Ganze geht wieder in eine ruhige Folknummer über. Mit dem fast 14-minütigen Titeltrack setzen uns Arkona dann einen Brocken vor, der wirklich nur schwer zu verdauen ist. Wieder wird mit Mashas Spoken Words begonnen, bevor ein Cembalo und eine schrille Gitarre für eine bedeutungsschwere Stimmung sorgen, Chöre setzen ein und das Stück steigert sich langsam bis mit einem markerschütternden Schrei ein weiterer Midtemposong eingeleitet wird. Masha übertrifft sich mal wieder selbst, wenn sie innerhalb kürzester Zeit die vielen verschiedenen Facetten ihrer Stimme erklingen lässt. Auch wenn dann über den Rest der Distanz noch mächtig herum gefrickelt wird und einige ganz gefällige Passagen eingestreut werden, ist mir das Ganze dann in Anbetracht der Gesamtlänge etwas zu arm an Höhepunkten. Aber das ist sicherlich jammern auf hohem Niveau. Das abschließende „V ob'jat'jah kramoly“ ist eher ein etwas zu lang geratenes Outro, das mit seinen düsteren Chören, Akustikgitarre und einer böse wispernder Masha nochmals für ordentlich Atmosphäre sorgt. Und auch wenn sich dann doch noch so etwas wie ein Song daraus entwickelt, ist mir der Track mit fast 7 Minuten doch etwas zu lang geraten.

 

Unter dem Strich ist „Yav“ dennoch ein grandioses Album, das möglicherweise ein neues Kapitel in der Bandgeschichte einschlägt. Jedenfalls sollten auch diejenigen die Band mal antesten, die sich zuvor vielleicht etwas von der folkloristischen Party-Attitüde haben abschrecken lassen, die die Band zwar gut bedient hat, auf die man sie aber eigentlich nie hat limitieren müssen.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de