Apocalyptica "Shadowmaker" / VÖ 17.04.2015

 

 

Für die Finnen Apocalyptica beginnt mit "Shadowmaker" eine neue Zeitrechnung - es ist die zweite große Veränderung im Sound und im Gefüge der Ausnahmecellisten. 22 Jahre sind sie mittlerweile aktiv, seit 12 (live) bzw. 10 (Studio) Jahren gehört Schlagzeuger Mikko Sirén zum einst reinen Streicherensemble. Diese Neuerung war allerdings noch verhältnismäßig klein, denn ab sofort haben die Jungs, die bekanntlich als rein instrumentale Coverband von Metallica, Sepultura und Co. ihren Durchbruch schafften, einen festen Sänger in ihren Reihen. Der hört auf den Namen Franky Perez und ist auf dem Papier Chance und Risiko zu gleichen Teilen.

 

Chance natürlich, weil man jetzt eben einen gesanglichen Fixpunkt hat. Man kann den Alben bestenfalls noch mehr Abwechslung geben und so auch Hörer erreichen, denen der Instrumentals vormals zu viel war. Auch bringt Perez Struktur in den Aspekt der seit vielen Jahren geläufigen Gaststimmen. Andererseits fällt eben diese stimmliche Vielfalt (von Sandra Nasic, über Max Cavalera bis Till Lindemann) ab sofort weg. Wer die Stimme des Neuzugangs nicht mag, hat schlicht und ergreifend Pech gehabt. Außerdem besteht theoretisch die Gefahr, dass aus einer außergewöhnlichen Band wie Apocalyptica eine gewöhnliche wird. So weit muss man - Sänger hin oder her - zum Glück nicht gehen, denn dafür haben die Finnen einfach zu viel Talent und zu feine Antennen. Natürlich fährt "Shadowmaker" den Laden keinesfalls vor die Wand, denn den Apos geht es um neue Möglichkeiten und Schattierungen (so würde ich dann auch den Albumtitel interpretieren), nicht darum, alles zwanghaft auf Links zu ziehen. Da versteht es sich von selbst, dass Perez nicht konstant zum Einsatz kommt, sondern sich die Instrumentalfraktion auch genug Zeit für sich selbst nimmt. Warum etwas reparieren, das nicht kaputt ist? Eben! Und deshalb findet sich unter anderem klassisch mitreißender Apocalyptica-Stoff wie "Reign of Fear" oder der facettenreiche Achtminüter "Til Death do us part" auf diesem Langspieler. Bei "Riot Lights" wird es sogar richtig abgefahren, denn hier versuchen die Musiker etwas komplett Neues, wenn sie gewissermaßen eine Techno-Nummer nur mit ihren Celli und nicht minder atemberaubender Schlagzeugarbeit von Mikko Sirén präsentieren - pumpender Beat inklusive. Ich halte die Jungs für verrückt genug, dieses scheuklappenlose Ausrufezeichen sogar live zu präsentieren. Genau dort, auf der Bühne, bietet die neue Konstellation natürlich einige Möglichkeiten, gerne auch in Form der neuen Songs. Darunter verbergen sich nämlich einige echte Perlen, wie man spätestens nach dem zweiten Durchgang merkt. Das packende "Slow Burn" etwa, aber auch der gefühlvolle Ohrwurm "Sea Song (you waded out)", der nur noch von "Hole in my Soul" getoppt wird, einem Song, der an sich schon gut ist, der aber trotzdem noch einmal unheimlich von der starken Gesangsmelodie profitiert und dadurch deutlich an Griffigkeit gewinnt. Wen stört es da schon, dass Franky Perez einen anfangs nicht gleich mit dem ersten Ton vom Sockel haut und man vielleicht noch ein wenig skeptisch ist? Dass er sein Handwerk versteht, beweisen nicht nur die Referenzen vorheriger Arbeitgeber (Slash, Scars on Broadway), sondern mit zunehmender Spieldauer auch "Shadowmaker", auf dem er von elegischem Wispern ("Sea Song") bis zu markigen Schreien ("Come back down") eine mehr als ordentliche Palette abreißt.

 

Die Moral von der Geschichte ist, dass Veränderung nicht immer schlecht sein muss. Zeitgenössische Poeten wie Barney Stinson behaupten gar "New is always better". Dabei muss die Frage gar nicht heißen, ob die neuen Apocalyptica nun besser oder schlechter sind als die alten, sondern ob das was auf "Shadowmaker" präsentiert wird funktioniert und den Hörer mitreißt. Die Antwort kann nur ein lautstarkes "Ja!" sein. Klassischer Fall von Traumeinstand!

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de