Anneke van Giersbergen „Pure Air“ / VÖ 19.01.2009

 

 

Wer den Werdegang von Anneke van Giersbergen speziell in den letzten Jahren verfolgt hat, wird sich schon denken können woher der Wind weht, wenn die Sängerin dieser Tage ein Akustikalbum mit dem Titel „Pure Air“ veröffentlicht. Seit ihrem Ausstieg bei The Gathering hat die Niederländerin Agua de Annique am Start, deren Debüt seinerzeit „Air“ getauft wurde und dessen Songs nun – zumindest teilweise – auch auf diesem Akustikalbum gelandet sind.

 

Dem aufmerksamen Hartwurst-Gourmet dürfte darüber hinaus auch bewusst sein, dass Frau über die Jahre unzähligen Künstlern ihre Stimme für deren Songs lieh. Diesmal dreht die Dame mit der Ausnahmestimme den Spieß erstmalig herum und hat sich ihrerseits Gäste ins Boot geholt, was genügsamerweise nicht in einem Wer-kennt-Wen-Schwanzvergleich endet. Dennoch haben sich neben international relativ bis völlig unbekannten Freunden auch mehrere Hochkaräter ein Stelldichein gegeben, darunter Arjen Lucassen (Ayreon). Dass gleich der Opener „The Blowers Daughter“ (hier wirkt Anathemas Danny Cavanagh mit) unerwartet unspektakulär tönt und auch die folgende Agua de Annique-Nummer „Beautiful One“ bis auf die Knochen reduziert und nur mit Akustikgitarre präsentiert noch nicht für große Euphorie sorgt, kommt für mich auch nach dem 10. Durchlauf von „Pure Air“ noch überraschend. Dass besagte Nummern, ebenso wie das ebenfalls von Annekes aktueller Band stammende „Come wander with me“ (inkl. relativ schnell nervender Trompete) nicht komplett durchfallen, liegt einzig und allein am überragenden Gesang. Doch Moment, wer jetzt denkt dieses Album wäre so interessant wie Hallenhalma, der irrt. Denn „Pure Air“ hält neben vereinzelten weniger gelungenen Akustikumsetzungen auch noch ein paar gute („Day after Yesterday“) und bisweilen sogar als überragend zu bezeichnende Stücke bereit. So interpretiert Anneke van Giersbergen zum Beispiel das weltbekannte „Ironic“ von Alanis Morissette auf geradezu überirdische Art und Weise und auch „To catch a Thief“, gemeinsam mit John Wetton von Asia dargeboten, ist mit seiner dezent folkigen Note zu jeder Sekunde über alle Zweifel erhaben. Hier greift Anneke im Chorus sicher auch nach den höchsten Tönen und setzt mit der einzigen allein gesungenen Zeile „To catch a Thief“, die von Tonlage und Betonung an Sharon den Adel erinnert, genau die richtigen Höhepunkte. Apropos Sharon den Adel: Die Within Temptation Frontdame gibt auf „Pure Air“ ebenfalls ein Gastspiel und darf dabei sogar eine eigene Nummer singen – nämlich „Somewhere“. Besagte Konstellation aus Sharon und ihrer Agua-Kollegin kennt der Fan natürlich in der Bombast-Version von WTs „Black Symphony“ DVD bzw. CD, doch auch die stromlose Version hat schon allein aufgrund der zwei herausragenden Stimmen ihren Reiz.

 

Gleiches kann man auch über „Pure Air“ im Allgemeinen sagen. Rein stimmlich ist dieses Album nämlich für jeden Fan die gewohnte Offenbarung. Allerdings haben sich auch ein paar musikalisch gesehen nicht ganz so herausragende Nümmerchen mit auf den Dreher gemogelt. Wer diesbezüglich Milde walten lassen kann, wird im Gegenzug auch mit einigen echten Leckerbissen belohnt.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 01.03.2009