Alter Bridge "Fortress" / VÖ 27.09.2013

 

 

Manchmal kann es durchaus von Vorteil sein, wenn man nicht in jedem Land oder auf jedem Kontinent gleichermaßen erfolgreich ist. Das findet zumindest Mark Tremonti, Gitarrist von Alter Bridge und Creed, wie er in unserem neuen Interview wissen lässt. Und der Mann hat recht, denn auch weil Creed in Europa nie so riesig wurden wie in den Staaten, konnten er und seine Kollegen in unseren Breitengraden mit Alter Bridge einem weitgehend unvoreingenommenen Publikum gegenübertreten. Mit durchaus positivem Effekt, denn seit jeher steht man bei Fans und Presse in der alten Welt hoch im Kurs.

 

Ohne Zweifel: Alter Bridge gehören mit ihren vier Alben, die Post Grunge, Metal und Alternative Rock stets geschmackvoll auf einen Nenner gebracht haben, nicht nur zu den Stars der Szene, sondern auch zu den Lieblingen der Kritiker. Und ja: Wer Alter Bridge mag, dem muss man eigentlich zwangsläufig einen guten Geschmack attestieren, bieten die Songs doch eine gewisse Breitenwirkung, ohne dass deren Urheber dabei jedoch um ihre Credibility fürchten müssten. Neben den schlicht hochwertigen Platten liegt dies wohl in erster Linie an den enormen Live-Qualitäten, aber auch an der Tatsache, dass man sich nie verstellt hat, sondern einfach ehrlich ist und authentisch rüber kommt. Alter Bridge sind keine dieser Bands, die sich über ein bestimmtes Image definieren müssen, um wahrgenommen zu werden. Sie brauchen keine Eskapaden, großen Schlagzeilen oder aufgeblasenen Egos, um Dauergäste in der Metal-Presse zu sein. Im Gegenteil ist etwa Frontmann Myles Kennedy im Grunde eher ein zurückhaltender, schüchterner Typ, der sein Publikum - neben dem Goldkehlchen natürlich - vor allem mit seiner Natürlichkeit und seinem Charisma auf seine Seite zieht.

 

Aber wir wollen langsam mal konkret werden. "Fortress" also, und nicht wie einmal in den Raum gestellt "AB4". Das macht Sinn und wäre nach "AB III" dann doch etwas zu einfach und vorhersehbar gewesen. Musikalisch sind es Alter Bridge ganz ähnlich angegangen, denn obwohl man ab der ersten Minuten ganz klar heraus hört mit welcher Band man es zu tun hat, schaffen die vier Amis es mit Hilfe frischer Ideen und ein paar neuer Impulse den Hörer gierig auf mehr zu machen. Hat man einmal auf "Play" gedrückt, will man "Fortress" auch durchhören. Einfach hinsetzen, zurücklehnen und hören, was die Burschen uns diesmal musikalisch zu sagen haben. Immer in der Gewissheit, dass das was in den nächsten Minuten so kommen mag, höchsten Ansprüchen an ein gutes Rockalbum gerecht werden wird. Alter Bridge sind eine dieser Bands, die man als Hörer gerne einfach machen lässt, ohne wirklich Angst vor einer Enttäuschung haben zu müssen. Dann lassen einen Flamenco Gitarren ("Cry of Achilles"), geflüsterte Vocals ("Lover") oder gar eine für Alter Bridge komplett neue Stimme (Mark Tremonti singt erstmalig Leadvocals bei "Waters rising") naturgemäß erst einmal aufhorchen, treiben einem aber keinesfalls den Angstschweiß vor der völligen Überrumpelung auf die Stirn, denn - um es mit einem der neuen Songtitel zu sagen - "All ends well". Klar möchte man sich nicht nur selbst kopieren, diesen und ähnliche Sätze wiederholen alle Musiker mantraartig in nahezu jedem Interview. Aber Alter Bridge haben ein besonders feines Gespür dafür, was sie sich erlauben können und was zu ihrem Stil passt, ohne aufgesetzt oder gezwungen zu wirken. Bezüglich des diesmal etwas erhöhten Härtegrades hat wohl das Solodebüt Tremontis besonders bei den Riffs und den Drums bewusst oder unbewusst seine Spuren hinterlassen, beschweren wird sich aber niemand. Denn "Addicted to Pain" ist ein rassiger Ohrwurm mit metallischem Anstrich geworden, der bisweilen auch mal schwer und bedrohlich wirkt. Wuchtig beginnt auch "Farther than the Sun", das mit pumpendem Rhythmus und einen überragenden Myles Kennedy überzeugt, was auch für "Peace is broken" gilt, das mit rasanten Riffs und hymnischem Refrain den klassischen AB-Sound repräsentiert. On top gibt es die bereits gewähnte, von Tremonti intonierte Überraschung "Waters rising", das dramatisch ansteigende, beinahe sirenenhaft gesungene "Calm the Fire", den Herzerwärmer und Nackenhaaraufsteller "All ends well" und das abschließende Mini-Epos "Fortress".

 

Mit ähnlichen Einflüssen spielen viele, ein annähernd vergleichbares Level erreichen nur die wenigsten. Von den unwiderstehlichen Hooks, den Sahne-Riffs und allgemein den songschreiberischen Fähigkeiten ganz zu schweigen. Auf diesem Niveau können Alter Bridge nur ganz wenige Bands das Wasser reichen - und ihre Zahl wird mit jedem neuen Album kleiner.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de