All Shall Perish „Awaken the Dreamers“ / VÖ: 05.09.2008

 

 

Es ist erstaunlich, wie sich dieser Fünfer aus Oakland so die letzten Jahre entwickelt hat. Zunächst eher als stiller Geheimtipp im Underground gehandelt, angepriesen als kleines-großes Death Metal-/Hardcore-Crossover Wunder. In der Tat, spätestens „The Price of Existence“ (2006) schlug raue Wellen hinter sich. Und als dann noch Job For A Cowboy’s „DOOM“ EP über Metal Blade groß raus kam, war man plötzlich Steckenpferd einer neuen Bewegung des Extreme Metals. Doch während jener mittlerweile groß gefeierte Vorgänger erst nach seiner Veröffentlichung Aufmerksamkeit bekam, so schwirrt „Awaken The Dreamers“ bereits Monate vor Release überall im Netz umher – und gilt ganz klar als einer der erwartungsvollsten und interessantesten Veröffentlichungen auf diesem Sektor.

 

„The Price of Existence“ überraschte seinerzeit mit ambitionierten Songwriting und überraschend hohem technischen Level – und ließ damit nicht nur dem restlichen Deathcore-Zirkus, sondern auch seinen eher simplen Vorgänger „Hate Malice Revenge“ (2003) weit hinter sich. Diesen Anspruch verfolgen All Shall Perish auch 2008, wollen nichts wiederholen – aber auch sich selbst treu bleiben. Vielleicht merkt man es „When Life meant more“ noch nicht sofort an, doch spätestens wenn Herman Hermida in „Black Gold Reign“ stimmlich den guten Halford zitiert, ist die Katze aus dem Sack: Der Hang zum Experiment, die Leidenschaft des außergewöhnlichen – weiterhin gegeben. „Never Again“ überrascht im nächsten Moment mit leider eher eindimensionalen Pacman-Sweeps und Emmure-Gestampfe, entpuppt sich (wie eben genannter Vorläufer) in der zweiten Hälfte jedoch als schön arrangierte, leidenschaftliche, reife Nummer. Hier kündigen sich bereits im Refrain weitere neue Merkmale von „Awaken the Dreamers“ an: Solospiel. Viel viel mehr Solospiel. Und Cleangesang. Holla die Waldfee! War „The Price of Existence“ noch ein recht straightes Metal-Album, kann „Awaken the Dreamers“ schon fast irgendwo in Prog-Gefilden zugeordnet werden. Natürlich: Schon damals überraschten Nummern wie „There is no Buisness to be done on a dead Planet“ oder „Better living through Catastrophe“ mit einfallsreichem Songwriting fern jeglicher Konvektionen. Doch „Awaken the Dreamers“ merkt man schnell eine gewisse Ambition zum Detail, aber vor allem eine verstärke instrumentale Leidenschaft an. Ohne die (ohnehin bereits wunderschön ausgearbeiteten) regulären Stücke zu beachten, befinden sich auf dem neusten Release von Oakland’s Finest satte vier (fast) reine Instrumentalstücke: Mal stimmig akustisch, mal virtuos (gitarren-)technisch – jedoch stets auflockernd und gelungen. Und da wären wir schon wieder beim Solospiel: Was Ben Orum und vor allem Chris Storey teilweise da aus ihren Instrumenten rausholen, ist schier pure Leidenschaft. Bevor mir wieder böse Zungen in’s Wort fallen: Natürlich ist Matt Kuykendall an seinem Kesseln weiterhin ungeschlagen. Aber das steht ja wohl außer Frage, oder nicht?

 

Ach ja, und was war da noch mit dem Cleangesang? Zunächst: All Shall Perish spielen keinen lupenreinen Death Metal mehr – und haben daher auch nicht den Anspruch, möglichst in jeder Sekunde danach zu klingen. Nummern wie „Stabbing to Purge Dissimulation“ sind zwar, wie es die Band schon selbst platt formuliert, „fucking br00tal“ – doch „Awaken the Dreamers“ ist mehr als lediglich stupides Geballer (wobei: Nichts gegen stupides Geballer! ;)). Demnach passt auch dieses stilistisch eher fremde Element irgendwie in den Gesamtkontext. Zumal das ganze eher dezent zur Abrundung dient, als dass der Fokus Anno 2008 auf möglichst catchy Ohrwurmrefrains liegen würde. Denn auf die können wir bei dieser Band wohl noch lange warten – auch wenn der Titelsong dem schon sehr nahe kommt. Bleibt nur noch offen, inwiefern All Shall Perish am herausragenden Vorgänger anknüpfen können, ja ob sie dem ganzen vielleicht sogar noch einem drauf setzen konnten. Doch will das der wahre Fan in all der Euphorie noch wirklich wissen? Fest steht: All Shall Perish sind immer noch das Licht im mittlerweile stockdunklen Deathcore, der Konkurrenz erneut um ein Ganzes voraus. Und inwiefern man „The Price of Existence“ die Stirn bietet, kann nur die Zeit zeigen. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.

 

Olivier Haas – www.sounds2move.de / 05.09.2008