Alestorm "Sunset on the Golden Age" / VÖ 01.08.2014

 

 

 

Würden sie den Titel des Openers ihres vierten Album wörtlich nehmen, müssten Alestom über die Planke gehen. Jedoch ist das Gegenteil der Fall, denn nachdem die Band kurz davor stand, an der eigenen Schlagzahl (Tour-Album-Tour) zu Grunde zu gehen, hat man sich eine Auszeit gegönnt. Frontmann Chris Bowes hat sich bei den Symphonic Metallern Gloryhammer den Kopf frei gerockt, sodass man jetzt mit "Sunset on the Golden Age" wieder in die Vollen gehen kann. Angesichts der Stimmungsfähigkeiten der Schotten könnte die Zukunft in der Tat rosig aussehen, zumindest wenn die Qualität der neuen Songs stimmt.

 

Was das angeht haben Alestorm wie immer alle Trümpfe in der Hand. Was früher gut war, kann heute nicht schlecht sein, und so landet "Walk the Plank" mit Keyboardteppich, Mitgröhl-Refrain, gefälligem Gitarrensolo und rauem Charme direkt den ersten Volltreffer. Noch ohrwurmiger wird es beim Stimmungskracher "Drink", der auf dem Fuße folgt. Dass nur von Keyboard-Fanfare und galoppierenden Drums begleitete Strophen absolut funktionieren können, haben die Kollegen Sabaton schon oft genug unter Beweis gestellt. Also tun es Alestorm ihnen gleich, präsentieren statt Kriegsgeschichten einen herrlich selbstironischen Schenkelklopfer-Text über rumdurstige Piraten, dessen Chorus unbestritten für vollen Ausschlag auf der Party-Skala sorgt. Meinen Kritikpunkt am Vorgänger "Back through Time" muss ich diesmal dann wohl auch zumindest teilweise revidieren, denn mit der süffigen Coverversion "Hangover" (Taio Cruz' Dance-Hit mit leicht verändertem Text) ist den Schotten tatsächlich eine Überraschung gelungen, die so wohl kaum jemand erwartet hätte. Von einem anderen Problem konnte man sich hingegen nicht komplett befreien, was allerdings weniger an einem fehlenden Händchen für Hits liegt, sondern vielmehr ein generelles Phänomen aller Partybands in der Schnittmenge aus Power und Folk Metal ist. So haben Alestorm zwar im Grunde alle Stücke mit einer gefälligen Melodie ausgestattet ("Magnetic North"), bei dem ganzen Schunkelpotential leidet jedoch zwischendurch schon mal die Aufmerksamkeit. Da ist es gut, wenn einen "Quest Squid Warfare" mit derben Blastbeats und Grind-mäßigem Gegrunze zwischendurch wach rüttelt, oder aber der regelrecht hysterisch vorgetragene Highspeed-Mosher "Wooden Leg!" die Gehörgänge frei pustet. So ist man als Hörer wieder voll bei der Sache, wenn uns Alestorm zu guter Letzt den elfeinhalbminütigen (!) Titeltrack präsentieren, ein Power Metal-Mammut epischen Ausmaßes mit heroischer Schlagseite, das man kaum in nur einem einzigen Durchgang zu fassen bekommt. Die - wenn auch relativ kurze - Pause hat den fünf Party-Piraten jedenfalls merklich gut getan und belohnt Fans und Musiker mit dem vielleicht besten Werk des bisherigen Schaffens. Wer zum Mediabook von "Sunset on the Golden Age" greift, kann überdies eine weitere, komplett neue Seite seiner Lieblinge kennen lernen, nämlich auf der "Rumplugged" betitelten Bonus-CD, welche die Briten erstmals von ihrer rein akustischen Seite präsentiert. Von wegen "keine Überraschungen".

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de