Ahab "The Call of the Wretched Sea" / VÖ 29.09.2006

"Nennt mich Ismael". Wer kennt diesen legendären Satz nicht oder hat ihn nicht zumindest mal irgendwo gehört. Wird damit doch der klassische von Herman Melville verfasste Roman "Moby Dick" eröffnet, in dem die Jagd auf jenen titelgebenden weißen Wal im Mittelpunkt steht. Dabei ist es vor allem die Figur des diabolischen Kapitäns Ahab, die aus dem 1851 veröffentlichten Roman besonders eindrucksvoll hervorsticht. Jene Figur die durch eine Attacke von Moby-Dick ein Bein verloren hat, den Wal deswegen mit fanatischer Wut Jagd und schlussendlich dadurch zu Tode kommt, übt seit jeher einen gewissen Reiz auf kunstschaffende Menschen aus. So auch auf die beiden Midnattsol Mitglieder Chris R. Hector und Daniel Droste wie auch auf Ex-Endzeit Gitarrist Stephan Adolph, die ihre neue Band kurzerhand nach Kapitän Ahab benannt haben.

Die Geschichte von "Moby Dick" musikalisch umzusetzen, das ist der Anspruch den Ahab mit "The Call of the Wretched Sea" erheben. Dabei greift die Band auf tonnenschweren und düsteren Funeral Doom zurück, wie man ihn in solch einer Konsequenz nicht alle Tage zu hören bekommt. Jeder Song auf "The Call of the Wretched Sea" trägt den Geist des dunklen und alles verschlingenden Meeres in sich, um jeden Funken Hoffnung und jeden Lichtblick schon im Keim zu ersticken. Lehnt man sich zurück und lauscht den vorhandenen Kompositionen, so sieht man vor dem geistigen Auge das Walfangschiff "Pequod" ins verderben fahren, während Kapitän Ahab tollwütig keifend die tobenden See anbrüllt. Es erheben sich Gitarrenwände einem "Kaventsmann" (Welle von mindesten 10 Metern Höhe Anm. d. Redakteurs) gleichend, um mit geballter Wucht über dem Schiff zusammenzubrechen und jegliches Leben auszurotten. Und jene arme Seelen seien es der Matrose Ismael, der polynesische Harpunier Queequeg, der erste Maat Starbuck oder gar der Kapitän selber - die mit dem Leben davonkommen sind werden ihrer Tage nicht froh werden. Denn die unheilvolle Atmosphäre, die schleppenden Gitarrenriffs und das dumpfe Schlagzeugspiel kündigen ihn schon an, den von Kapitän Ahab gejagten Dämon, den weißen Wal, der von allen nur "Moby Dick" genannt wird. Ohne Erbarmen werden von ihm die Leiber jener zerschmettert die ihn eigentlich jagen sollten, werden die Jäger zum Opfer, wird der Gejagte zum Henker der Verdammten. Ruhe kehrt ein, das Meer beruhigt sich, das Stöhnen der Sterbenden verstummt und dennoch kehrt kein Frieden ein. Immer noch schallt die unheilschwangere Musik von Ahab wieder, um von Tod und Verderben zu berichten und unüberwindbarer Trauer zu beschwören.

"The Call of the Wretched Sea" bietet einem Funeral Doom der düstersten und abgründigsten Art, der sich auch nur schwer in Worten umschreiben lässt. Die Musik von Ahab muss man hören und fühlen, da dieses Album keine musikalische Unterhaltung sondern eher eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit erzeugt. Fans von Funeral Doom werden auf alle Fälle ihre Freude an diesem Werk haben!

Nando Rohner – www.sounds2move.de 20.09.2006