Agrypnie „Exit“ / VÖ 07.08.2008

 

 

Im Schatten einer übermächtigen deutschen extremen Metalband beginnend, bahnte sich Torsten seinen Weg durchs schwermetallische Dickicht. Jene übermächtige deutsche Metalband hat in der Zwischenzeit ihr vorzeitiges, unwürdiges Ende gefunden und liegt auf Eis. Losgelöst von seinen Verpflichtungen bei Nocte Obducta kann sich Torsten nun endgültig auf Agrypnie konzentrieren – und das hört man auf „Exit“ jederzeit. War das Debüt trotz zahlreicher elektronischer Spielereien und einer gewissen Kälte durchaus noch vom Spirit Nocte Obductas angehaucht, so löst er sich mit „Exit“ endgültig aus dem Schatten seiner Vergangenheit und erschafft etwas Neues.

 

Es sind durchaus Parallelen zum guten Debüt erkennbar, aber dennoch ist „Exit“ so viel mehr als ein bloßer Nachfolger. „Exit“ wirkt als Ganzes authentischer, ehrlicher und ausgereifter. Worin mögen diese Eindrücke ihren Ursprung finden? Ich kann diese Frage nicht genau beantworten, es scheint die Gesamtatmosphäre zu sein, die sich insgesamt aus jedem einzelnen Lied zusammensetzt. Diese Atmosphäre und Gesamtatmosphäre setzen sich jeweils eben nicht nur aus dem mittlerweile lebendigen Drummer, einer latenten Vorliebe für technischere Parts und generell optimiertes Songwriting zusammen. Es ist vielmehr das Gefühl, ein fast perfektes extremeres Metalmeisterwerk zu hören. Musik, die die Seele berührt. Musik, die zu dir spricht – auch ohne Lyrik. „Fenster zum Hof“ – für mich mit seinen 11:38 min das Kernstück und Meisterwerk des Albums - spiegelt alle stilistischen Merkmale Agrypnies in nahezu erschreckender Perfektion wieder. Seien es unbarmherzige Blastbeats, geradezu besessenes Gekeife, atmosphärische Keyboardeinsätze, eine hohe Dynamik des Songwritings oder auch hymnische Elemente. All diese verschiedenen Merkmale finden in „Fenster zum Hof“ ihren Platz. Das Lied marschiert hierbei perfekt wie ein Schweizer Uhrwerk – und überrascht dennoch mit unerwarteten Wendungen. So ist beispielsweise neben klirrendem schwarzmetallischem Riffing durchaus eine latente Gothic Note vernehmbar, die „Fenster zum Hof“ neben aggressiven Schüben eine durchaus finstere Atmosphäre verpasst. Ein anderes Beispiel: Hört „Zivilisation“, wie er sich langsam aufbaut und in depressiven Choreinsätzen sein würdiges Ende findet. Ein Lied, welches ähnlich wie „Fenster zum Hof“ viele Genres durchschreitet und zu einer neuen Einheit formt. Das zweifellose Highlight ist für mich aber dennoch das grandiose Liedende. Geradezu ergreifend, wie sich diese Töne ihren Weg durchs Gehör ebnen und sich dabei festbeißen. Dass nun ausgerechnet das kitschig betitelte „Während Du Schliefst“ teilweise so arg schwarzmetallisch wie kaum ein anderes Lied auf „Exit“ herüberkommt, hat mich durchaus überrascht. Meine Erwartungshaltung tendierte hier eher in gemächlichere Gefilde, aber stattdessen wirkt dieses Lied hier relativ ruppig aggressiv – inklusive leckerem Solo.

 

Auf weitere Lieder werde ich hier nicht eingehen, sonst sprenge ich den Rahmen. Seid euch aber sicher, dass es keine Ausfälle zu hören gibt, „Exit“ ist vielmehr ein ca. 60-minütiges hochwertiges und innovatives Album geworden. Einige mögen dies nicht erkennen oder die Band gar als Hype abtun. Abgesehen davon, dass ich letzteres einfach nur müde belächeln und bemitleiden kann, ist „Exit“ für mich nichts weiter als ein kleines Meisterwerk. Ein höchstklassiges Album, mit dem Torsten endgültig seine eigene musikalische Identität gefunden hat.

 

Christian Stiewe – www.sounds2move.de / 18.08.2008