Schrottgrenze "Schrottism" / VÖ 19.10.2007

Wenn Bands endgültig erwachsen werden, werden sie oft langweilig. Nicht so Schrottgrenze, die scheinbar von Album zu Album mehr zu sagen haben. "Schrottism" ist nun schon das sechste Album der Nordlichter, die jedoch partout nichts mit Hamburger Schule am Hut haben. Auch nicht, wenn der Vorgänger "Château Schrottgrenze" (2006) von Tobias Levin (Tocotronic) produziert wurde. Auch bei "Schrottism" hatte Levin wieder seine Finger mit im Spiel, als Mischer und zusätzlicher Producer (neben Peta Devlin, die man wohl besser als Bassistin der Band Die Braut Haut Ins Auge kennt, und der Band selbst). Mit „Schrottism“ könnten es Schrottgrenze endlich in den Kreis der großen deutschen Bands schaffen. Wer Platten von melodieverliebten deutschen Bands mit intelligenten Texten im Schrank stehen hat, sollte hier aufhorchen. Kettcar, Muff Potter, The Wohlstandskinder und doch auch Tocotronic sind hier nicht allzu weit entfernt.

Und trotz Namedroppings gehen Schrottgrenze doch ihren ganz eigenen Weg, sind nur im entferntesten vergleichbar. So erinnert "Künstler muss schön sein" stimmlich wirklich ein wenig an einen Dirk von Lowtzow, musikalisch schlagen Schrottgrenze aber den Weg in Richtung NDW ein. Nicht die Art von NDW, die Bands wie Mia. wieder zurück in die Alltagskultur gebracht haben - viel mehr die abgehakte, experimentierfreudige Art dessen. Irgendwo zwischen eingängig und befremdlich. "Achtundzwanzig" hat ein ähnliches Ohrwurmpotenital wie das frühere "Belladonna". Schon beim ersten Hördurchgang setzt sich das Lied unwiderruflich im Gehörgang fest. Zwangsläufig denkt man an Virginia Jetzt! Nur ohne den aufgesetzten Pathos. Von den Punkrockwurzeln ist bei Schrottgrenze allgemein nicht mehr viel zu hören. Aber vielleicht ist gerade dies der Geist des Punk: Schrottgrenze trauen sich über den Tellerrand zu blicken und scheuen es nicht selbstreflektiert über das eigene Schaffen zu singen. "Judas Maxi Priest" widmet sich dem Thema der Entstehung von Musik, der Titel "Künstler muss schön sein" spricht wohl für sich und in "Schuldizm" geht es, basierend auf einem Video des Performancekünstlers Bruce Nauman, um den Schuldbegriff. Neben all diesen Abhandlungen der Kunst behandelt das Album auch die banalen Alltagswehwehchen. Die erste Single "In Verhältnissen dieser Art" ist ein Protestlied von unterbezahlten Arbeitnehmern. Es geht um psychische Leiden ("Diese Schmerzen") oder um Begegnung in der Nacht ("Kanari"). Alltag trifft Kunst trifft Alltag. Eine runde Sache.

Katrin Reichwein - www.sounds2move.de / 03.10.2007