Interview mit Marco Heubaum von XANDRIA

 

 

„Neverworld’s End“ ist ein ziemlicher Brocken von Album geworden und weist eine beachtliche Gesamtspielzeit auf. Hattet ihr das Gefühl, dass ihr den Fans nach fast fünf Jahren etwas schuldig seid und habt deswegen möglichst viel Musik auf’s Album gepackt, hehe?

 

Haha! Ja, das hat auch ein bisschen eine Rolle gespielt. Nur 40 Minuten abzuliefern wäre ein bisschen mager gewesen, auch wenn für mich Qualität immer vor Quantität geht – siehe als Beispiel Slayers „Reign in Blood“! Allerdings war es uns vor allem wichtig, dass alle diese Songs auf das Album kommen, denn sie stellen schon gewissermaßen eine große Einheit dar, in der jeder Song seine Rolle spielt und dazugehört.

 

Stichwort „5 Jahre“: Abgesehen von einem Best-of aus 2008 war es zwischenzeitlich ziemlich ruhig um euch geworden. Hattet ihr bei der langen Wartezeit auf das neue Album nicht auch ein bisschen Angst, in Vergessenheit geraten zu sein?

 

Nun, wir haben es uns schließlich nicht ausgesucht, wir konnten es ja nicht ändern. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir dieses Album bereits vor ein bis zwei Jahren herausgebracht. Wir können tatsächlich nur hoffen, dass die Leute uns nicht vergessen haben! 

 

Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass man es sich als Band heutzutage kaum leisten kann seine Fans bzw. „den Markt“ länger als allerhöchstens 3 Jahre auf ein neues Studioalbum warten zu lassen – außer man heißt AC/DC oder spielt auch nur annähernd in einer vergleichbaren Liga. Was sagst du zu diesem ungeschriebenen Gesetz und wie siehst du die Situation bezogen auf deine eigene Band?

 

Kann ich nicht sagen, das wird sich herausstellen… wobei wir – dank Internet und auch der Konzerte, die wir in der Zwischenzeit gegeben haben – schon wissen, dass wir eine treue Fanbase haben, auf die wir zählen können, besonders international. Ich muss allerdings auch sagen, dass – so ein „Gesetz“ hin oder her – eine Band nicht ein Album aufnehmen sollte, nur weil eben eines her muss. Das passiert leider viel zu oft, und auch uns wurde in der Vergangenheit vom Label viel Druck gemacht, was vieles kaputt machen kann. Es sollte darum gehen, dass man Musik aus Leidenschaft schreibt, und nur dann, wenn dies so ist, dann sollte man ein Album aufnehmen. Egal wie lange es dauert.

 

Die neue Scheibe stellt den Einstand eurer neuen Sängerin Manuela Kraller dar, die seit 2010 zu Xandria gehört. Zwischenzeitlich war mit Kerstin Bischof noch eine andere Sängerin Frontfrau bei euch, allerdings habt ihr mit ihr kein Album veröffentlicht und sie war nur für ein knappes Jahr in euren Reihen. Ein klassisches Missverständnis oder wieso hat es zwischen ihr und euch nicht gepasst?

 

Ich glaube, für sie hat sich in dieser Zeit viel in ihrem Leben und ihrer Sicht auf die  Zukunft verändert und sie sah ihre Zukunft auf einmal eher in anderen Bereichen. Dummerweise lag dieser Entscheidungsprozess in einer für uns wichtigen Phase, aber so ist es nun eben leider manchmal. Ich wünsche ihr alles Gute auf ihrem weiteren Wege!

 

Bei einigen Fans keimte im Anschluss kurzzeitig sogar die Hoffnung auf eine Reunion mit eurer langjährigen Frontstimme Lisa Middelhauve auf, die nach Kerstins Ausscheiden einige Shows als Aushilfssängerin mit euch bestritten hat. Jede Spekulation wurde allerdings umgehend von euch im Keim erstickt. Wieso habt ihr eine längerfristige Reunion von vornherein ausgeschlossen? Einige Fans hätten das sicherlich begrüßt…

 

Das kann ich gut verstehen! Allerdings war klar, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss, denn die musikalischen Differenzen waren einfach zu groß geworden, als dass man noch einmal ein gemeinsames Album hätte aufnehmen können. Es wäre einfach nicht gut gegangen, beiden Seiten war das bewusst.

 

Abgesehen von der neuen Stimme zeichnet sich „Neverworld’s End“ vor allem durch einen deutlich höheren Metal-Anteil aus, auch in Sachen Riffs und Soli habt ihr unbestritten eine große Schippe drauf gelegt. Überhaupt klingt das Album sehr wuchtig und druckvoll. Siehst du darin den Hauptunterschied zu euren älteren Alben – weniger Gothic, mehr Metal sozusagen?

 

Ganz richtig! Wobei Gothic für mich Fields Of The Nephilim und Sisters Of Mercy ist, und so haben wir ja eigentlich nie geklungen.  Es ist ein ziemlich schwammiger Begriff geworden heutzutage und wird für alles Mögliche verwendet, ich weiß nicht, inwieweit das immer so richtig ist. Davon abgesehen hatten wir sicher hier und da Gothic-Einflüsse, wie wir auch aus vielen anderen Bereichen Einflüsse hatten, aber die Basis war immer Metal. Diesmal wollten wir das noch klarer zum Ausdruck bringen, aber es gleichzeitig stärker mit den symphonischen, folkig/ethnischen und Soundtrack-Elementen verbinden als bisher, und diese Kombination für uns auf ein neues Level heben.

 

Bis auf die Sängerin ist bei eurer Besetzung alles beim Alten geblieben. Umso mehr überrascht ein Song wie „Soulcrusher“, der eine ungeahnte Härte in den Xandria-Sound bringt. Hat sich euer Musikgeschmack seit „Salomé“ geändert oder warum habt ihr derartiges nicht schon früher probiert?

 

Bei mir persönlich als hauptsächlicher Songwriter der Band lag es daran, dass ich zwar immer auch ein Fan von komplexeren, härteren Spielarten des Metal war, aber solche Einflüsse lange Zeit gar nicht verarbeiten konnte – einfach weil ich es noch lernen musste. Dies war für mich diesmal eine Herausforderung, die ich ganz bewusst angenommen habe. Ich brauche immer ein Ziel, dass ich mit Leidenschaft verfolgen kann! Daher hört man auf diesem neuen Album sehr viel neues, es ist musikalisch interessanter als unsere bisherigen Alben, denn es passiert einfach viel mehr und hat einen höheren Anspruch, was Komposition und Instrumentalarbeit angeht. Ich denke, es ist wirklich eine ganz neue „Version“ von Xandria geworden, intensiver und tiefgehender als jemals zuvor!

 

Apropos Musikgeschmack: Du giltst als großer Motörhead-Fan. Könntest du dir vorstellen mal ein ähnlich geartetes Nebenprojekt ins Leben zu rufen? Oder dich gar mit Xandria an einer Coverversion, beispielsweise als B-Seite, zu versuchen? Das wäre mal ein ziemlich interessanter Ansatz.

 

Eine Motörhead-Coverversion wäre wirklich eine klasse Idee, danke für die Eingebung, haha! Verfechter der Trueness würden uns vermutlich ans Kreuz nageln, aber im Rock N Roll muss man auch mal Spaß verstehen! Wer das nicht tut, hat´s nicht verstanden!

Ich habe zwar auch zwischendurch immer mal wieder die Versuchung, etwas ganz anderes auszuprobieren, aber trotzdem bisher nie ernsthaft über ein Nebenprojekt nachgedacht. Xandria ist einfach so sehr das, was mich voll und ganz ausfüllt, dass das Bedürfnis nicht so groß ist. Allerdings greifen wir bei Xandria ja auch immer mal wieder andere Einflüsse auf und bauen sie auf unsere Art ein. Aber mal sehen – vielleicht muss ich wirklich irgendwann mal etwas nebenher machen. Das wird dann vermutlich etwas ziemlich finsteres und krankes sein oder das krasse Gegenteil oder alles zusammen…

 

Der ehemalige After Forever-Tastenkünstler Joost van den Broek hat euch diesmal bei den Keyboards unter die Arme gegriffen. Wie groß würdest du seinen Einfluss auf „Neverworld’s End“ bezeichnen?

 

Er hat auf Basis meiner groben Vorgaben die Orchestrierung arrangiert – und er hat es großartig gemacht! Er bringt dieses „große“ Soundtrack Feeling mit hinein, welches wir für die Platte haben wollten! Es ist wirklich wie das Tor zu einer Fantasiewelt geworden!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.xandria.de
Fotos: Stefan Heilemann