Interview mit Sharon den Adel von WITHIN TEMPTATION

 

 

 

Sharon, aufgrund deiner zweiten Schwangerschaft habt ihr seit Ende 2008 eine längere Pause eingelegt. Hast du während dieser Zeit zwischendurch weitergearbeitet für die Band oder hast du alles beiseite geschoben, um dich nur auf deine Schwangerschaft zu konzentrieren?

 

Nein, ich habe nebenher auch Songs für Within Temptation geschrieben und zudem mit anderen Künstlern gearbeitet. Das macht mir nicht nur Spaß, sondern ich lerne dabei auch häufig etwas von anderen. Es ist schön, zwischendurch mal mit anderen Menschen Musik zu erschaffen, weil es eine Abwechslung zum Songwriting mit meiner Band ist.

 

Ein Resultat dieser Kooperationen ist die neue Single „Utopia“, die Ende Oktober erscheinen wird. Wann ist dieser Song entstanden?

 

Das war während meiner Schwangerschaft, als ich mich mit einem Freund unterhielt, der mich fragte ob ich Zeit hätte und mit dem ich daraufhin ein wenig komponiert habe. Anfangs wollte ich damit auch einfach Zeit totschlagen und wir haben einfach drauflos geschrieben und wussten nicht mal, ob und falls ja, wofür die Musik später einmal verwendet wird. Es war überhaupt nicht klar, ob es ein Song für Within Temptation wird, oder für einen anderen Künstler. Während das Stück noch in der Entstehung war, zeichnete sich bereits ab, dass es nicht wirklich zu WT passen würde – einfach weil die ursprüngliche Version viel zu fröhlich und beschwingt war. Robert (Westerholt, Sharons Lebensgefährte und Gitarrist der Band - MR) meinte dann, dass wir diesen tollen Song auf jeden Fall irgendwie verwenden sollten und schlug das Akustikalbum vor. Hierbei war allerdings klar, dass man dafür noch einiges umkrempeln musste – immerhin liegt „Utopia“ doch ein ganz schönes Stück außerhalb unseres eigentlichen Terrains. Zumindest war er aber schon mal akustisch, womit er für ein normales Album zwar überhaupt nicht in Frage kam, aber zumindest für das Album zur Theatertour. Also haben wir den Grundrhythmus deutlich verlangsamt und auch die Hauptmelodie um einiges melancholischer aufgestellt. „Utopia“ fing ganz klein an und wurde dadurch mit der Zeit immer größer, durch die Orchesterelemente zudem relativ pompös und somit auch WT-kompatibler. Trotzdem ist klar, dass dieses Lied ziemlich ungewöhnlich für uns ist und nicht jeder es mögen wird. Es ist eben in erster Linie ein Bonus für die Fans.
 

Wenn ich richtig informiert bin, dann bist du über den DJ Armin van Buuren, mit dem du die Dance-Single „In and Out of Love“ gemacht hast, mit deinem Duettpartner Chris Jones in Kontakt gekommen.

 

Absolut richtig. Während ich mit Armin an „In and Out of Love“ arbeitete, bat ich ihn mir auch ein paar der anderen Songs vorzuspielen, die er für sein Album bis dato gemacht hatte weil ich einfach neugierig war. Er spielte mir dann unter anderem „Going Wrong“ vor, das von Chris Jones gesungen wurde und ich verliebte mich regelrecht in dessen tolle Stimme. Bei der CD-Releaseparty hatte Armin dann alle Gastsänger eingeladen, um die neuen Songs live vorstellen zu können und dabei haben Robert und ich Chris hinter den Kulissen kennen gelernt. Es hat sofort klick gemacht und wir verstanden uns alle super und sind daraufhin in Kontakt geblieben. Für „Utopia“ hatten wir verschiedene Ideen und Vorschläge, aber sind recht schnell zu dem Entschluss gekommen, dass Chris eine super Lösung wäre. Er ist ein Singer-Songwriter aus Liverpool und es gibt womöglich nicht allzu viele Leute, die ihn hierzulande überhaupt kennen. Die Tatsache, dass wir den Zuhörer mit einem Mann überraschend können, von dem niemand wirklich ein Bild hat, hat uns ebenfalls gefallen.
 

Es gibt da noch einen anderen Chris, den du sicherlich sofort mit Kusshand genommen hättest – nämlich Chris Cornell.

 

(schwärmt) Oh, mein Gott – ja! Verdammt, du hast wirklich recht. Das hätte auch super gepasst, aber an ihn habe ich überhaupt nicht gedacht. Gute Idee, das sollten wir für das nächste Album mal versuchen. Träumen wird ja erlaubt sein, hehe.

 

Was ich an eurer Theatertour sehr beeindruckend fand, war die Bühnenproduktion. Vor allem die tollen Projektionen waren ein Augenschmaus und auch die Lichtshow war sehr stimmungsvoll. Für mich schreit dieses intime und zugleich beeindruckende Showformat regelrecht nach einer DVD-Veröffentlichung.

 

Wir haben in der Tat etwas mitgefilmt, aber dadurch dass wir mit Hologrammen und Projektionen gearbeitet haben, ist es währenddessen natürlich unmöglich auch mit normalem Licht zu arbeiten wie zum Beispiel bei einer normalen Rockshow. Als wir versuchten unsere Theatershow mit HD-Kameras zu filmen, ist das Ganze ziemlich dunkel geworden, da die Kameras gute Ausleuchtung benötigen. Dadurch stimmten die Farben nicht so recht und wir waren nicht wirklich zufrieden mit dem Resultat, wobei es auch für die zuständige Firma keine einfache Aufgabe war. Auf der nächsten Tour im April machen wir einen weiteren Versuch und ich hoffe, dass wir einen technischen Weg finden um das Ganze standesgemäß aufzeichnen zu können. So wie es jetzt ist, wollen wir das Material nicht veröffentlichen, da es sich für uns falsch anfühlt und der wirklich schönen Live-Show nicht gerecht wird. Abgesehen davon war unsere letzte DVD „Black Symphony“ meiner Meinung nach ein richtiger Kracher und unsere Fans würden sich zu recht verschaukelt vorkommen, wenn wir danach etwas Halbgares nachreichen würden.
 

Insgesamt war diese Tour sicher nicht nur von der Show, sondern auch von eurer Darbietung her eine anspruchsvolle Sache. Immerhin hört man bei akustisch dargebotenen Songs jeden Verspieler und alle Versinger sofort. Bei normalen Konzerten kann so was ja schon mal in der Soundwand untergehen, aber diese Theaterkonzerte hatten da andere Voraussetzungen. Waren diese Konzerte eine größere Herausforderung als eine gewöhnliche Live-Show?

 

Ja, aber um ehrlich zu sein mag ich das sogar. Ich finde es toll, auf diese Art herausgefordert zu werden und kann zudem mehr Emotionen und Ausdruck in meinen Gesang legen. Es war für mich sogar ziemlich relaxt, jeden Abend auf diese Art und Weise zu singen und auf unseren Alben singe ich für gewöhnlich auch auf diese Art, nur hört man es aufgrund der vielen verschiedenen Tonspuren da nicht mehr wirklich heraus. Viele Leute haben bestimmt gesagt „Hey, die kann ja sogar richtig singen“, haha.

 

Dennoch waren die Theater-Konzerte keine rein akustische Angelegenheit, sondern ihr habt auch einen regulären Rock-Block im Set gehabt. Wolltet ihr zwischendurch eine kleine Pause haben, um nicht für 100 Minuten am Stück so absolut hochkonzentriert sein zu müssen? Oder war das nur ein Versuch die Leute nicht nach einer gewissen Zeit am Ende doch noch zu langweilen, hehe?

 

Wir dachten es wäre einfach ein zu großer Schritt, plötzlich eine reine Akustikshow zu spielen, weshalb wir uns für diese Kombination entschieden haben. Das war denke ich der richtige Weg für uns und wir werden das Ganze auch so beibehalten für die zweite Theatertour im kommenden Jahr, da viele Fans bisher nicht die Möglichkeit hatten uns in diesem Rahmen zu sehen. Ich habe oft von Fans gehört, dass sie gern eines der Konzerte besucht hätten, die Shows aber alle rasendschnell ausverkauft waren. Was natürlich ein toller Erfolg für uns war und nun legen wir in einem halben Jahr noch mal nach, hehe.

 

Abgesehen davon wäre es auch deutlich mehr Arbeit gewesen, Songs für eine komplette Show neu zu arrangieren.

 

Ja, das ist definitiv ein weiterer Aspekt. Wir haben glaube ich im Februar oder März mit den Arbeiten begonnen und hatten zu dem Zeitpunkt auch noch die „Black Symphony“ DVD und Teile der Backstage-Doku vor der Nase, denn wir machen viele dieser Dinge nach wie vor am liebsten selbst. Die Festivalsaison war auch nicht allzu weit entfernt, somit haben wir uns dazu entschlossen, uns lieber weniger Songs vorzunehmen und die richtig gut zu machen, anstatt ein volles Akustikset mit weniger gut umgesetzten Stücken.

 

Trotzdem hat die Arbeit an den Akustikstücken Monate in Anspruch genommen.

 

Genau, denn wir hatten viel zu tun mit den Arrangements - die Stücke sind im Original ja deutlich anders. Ich fand es sehr überraschend, wie gut die Stücke dann am Ende harmoniert und zusammengepasst haben auf dem fertigen Akustikalbum; da wird es den Fans bei den Theater-Konzerten ähnlich gegangen sein. Die Produktionen von „Mother Earth“, „The Silent Force“ und „The Heart of Everything“ sind grundverschieden und die Songs stammen auch aus verschiedenen Zeiten. Auf einer normalen Complilation hätten die Stücke wahrscheinlich überhaupt nicht zusammen gepasst, doch im Akustikgewand klingt alles meiner Meinung nach wie aus einem Guss. Ich musste mich außerdem wundern, wie melancholisch wir eigentlich sind. Dass dies ein Aspekt unserer Songs ist war mir klar, aber diese starke Präsenz war mir zuvor nicht bewusst – dafür mussten wir erst „An acoustic Night at the Theatre“ machen.

 

Nach welchen Kriterien habt ihr vor der Akustiktour eigentlich die Setlist zusammengestellt?

 

Wir wollten auf jeden Fall nicht wieder die gleichen Songs nehmen, die wir schon veröffentlicht hatten oder von denen es schon Akustikversionen gibt; zum Beispiel „Ice Queen“, „Neverending Story“ und „Restless“. Außerdem wollten wir ein paar selten gespielte Stücke dazu nehmen, um für ein paar Überraschungen zu sorgen – zum Beispiel „Pale“ und „Towards the End“, was sogar nur eine B-Seite war. Wir wussten, dass viele Fans diese Songs sehr mögen und haben sie deshalb für diese Shows berücksichtigt. Es ist außerdem so, dass wir viele Nicht-Singles im Set hatten, was denke ich einen zusätzlichen Reiz ausgemacht hat. Wir hätten gerne noch mehr Songs akustisch dargeboten, aber uns fehlte dazu leider die nötige Zeit.

 

Das mit den Überraschungen kann ich absolut bestätigen. „Forgiven“ oder aber „Memories“ waren schon im Vorfeld todsichere Kandidaten, was man von „Caged“ und „Towards the End“ nicht gerade behaupten kann.

 

Ja, absolut. Nimm nur mal „Caged“: Was daraus geworden ist, hat uns selbst total überrascht. Ich mag auch die Version von „Frozen“ sehr gern, das nicht nur anders beginnt, sondern unter dem Strich eigentlich schon als komplett neuer Song durchgeht. Es ist durchaus vorstellbar, dass „Mother Earth“ ebenfalls auf dieser Ebene funktionieren könnte oder aber der eine oder andere epische Song von „The Silent Force“. Bei „Mother Earth“ bin ich mir sogar sicher, denn ich kann dir verraten dass wir versucht haben, daraus eine Akustikversion zu machen, aus den oft genannten zeitlichen Mängeln aber nicht fertig geworden sind. Aber lass dich überraschen, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben und wir haben damit zumindest noch etwas in der Hinterhand, hehe.

 

Habt ihr eigentlich mal darüber nachgedacht, eine ähnliche Tour auch in anderen Ländern zu machen? Oder sind die Distanzen dafür zu groß?

Das ist sicher eines der Probleme und dazu kommt noch, dass es in Ländern wie Deutschland sehr ungewöhnlich ist, wenn Bands wie wir in Theaterhäusern spielen. Einige Besitzer sperren sich da etwas dagegen, weil sie kein Bild davon haben, wie so etwas funktionieren soll. Nach dieser Veröffentlichung jetzt sieht die Sachen aber vielleicht etwas anders aus und dann kann das in Zukunft durchaus noch zu Stande kommen, da ich mir vorstellen kann, dass in Deutschland und Frankreich durchaus Interesse an diesem Showformat besteht.

Dazu kommt natürlich auch der finanzielle Aspekt: Viele denken „Ach, das ist ja nur eine Akustiktour – was soll daran teuer oder aufwändig sein?“. Tja, da haben sie die Rechnung ohne uns gemacht, denn wir schaffen es sogar, dass eine solch eigentlich simple Sache ziemlich teuer werden kann, haha.

 

Du hast gesagt, dass ihr die Show im Großen und Ganzen unverändert lassen werdet, wenn ihr im April zum zweiten Mal auf Theatertour geht. Meiner Einschätzung nach werden dann wieder viele Fans dabei sein, die auch schon die erste Tour gesehen haben und die natürlich hoffen, ein bisschen was neues zu sehen zu bekommen. Werdet ihr für diese Anhänger auch ein paar Überraschungen parat haben?

 

Das größte Problem daran die Show signifikant zu modifizieren ist, dass wir durch diese Arbeit einiges an Zeit verlieren würden, die wir lieber und sinnvoller in das nächste Studioalbum stecken könnten. So wie es im Augenblick aussieht, werden wir wohl ein paar Songs im Set verändern, aber nicht im großen Stil alles umkrempeln.

 

Stichwort neues Album: Wann wird man nach aktuellem Stand mit dem nächsten Longplayer rechnen können?

 

Das Album soll definitiv im nächsten Jahr kommen, allerdings nicht vor Spätsommer / Herbst. So sieht derzeit unsere Planung aus. Musikalisch kann ich noch überhaupt keine Aussage treffen, weil wir selbst noch nicht wissen, was aus den bisherigen Fragmenten werden wird. Wir haben mit der Band jedenfalls schon fleißig gearbeitet, aber wie sich die Puzzleteile am Ende zusammensetzen ist im Moment noch überhaupt nicht abzusehen.

 

Und auf welchem Label wird der „The Heart of Everything“-Nachfolger erscheinen? Gun Records musste unlängst seine Pforten schließen und ihr seid dadurch fließend zum Mutterkonzern Sony BMG gewechselt. Geht euer Vertrag mit ihnen noch über „An acoustic Night at the Theatre“ hinaus?

 

Ja, wir haben noch ein oder zwei Alben bei ihnen, bis unser Vertrag vorerst erfüllt ist. Dass Gun nicht mehr existiert macht mich sehr traurig, denn wir hatten ein gutes Verhältnis zu ihnen und waren darüber hinaus auch gute Freunde. Die Leute von Sony habe ich jetzt zum ersten Mal kennen gelernt während meiner Promotage für unser Akustikalbum, aber ich habe schon gemerkt, dass sie von dem Album und dem neuen Song sehr angetan sind. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sie generell arbeiten und wie die Zusammenarbeit laufen wird, aber sie sind enthusiastisch was die jetzigen Veröffentlichungen betrifft; das ist schon mal ein guter Start. Mit einem Major Label zu arbeiten macht uns jedenfalls keine Angst, da wir das auch schon aus Holland kennen. Die Tatsache, dass wir über Gun eigentlich schon sehr lange zusammenarbeiten, macht ihnen außerdem klar, dass wir wissen, was wir tun und dass wir unser Genre kennen. Darum versucht auch niemand uns in eine bestimmte Richtung zu drücken, weil wir keine Band sind, die sich von außen steuern lässt. Wir hatten noch nie Probleme, unseren Kopf durch zu setzten, hehe.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.within-temptation.com