Interview mit Chad Nicefield von WILSON

 

 

Eure Heimatstadt Detroit ist bekannt für ihre riesige Musikszene. Egal worauf man steht: Von Rock über Jazz, Hip Hop, Hardcore bis Gospel - von allem findet sich jede Menge. Ich kann mir gut vorstellen, dass damit auch ein harter Konkurrenzkampf einhergeht und würde vermuten, dass es für eine Band verdammt schwer sein kann, sich im Mikrokosmos dieser Stadt erst einmal einen Namen zu machen. Noch bevor man einen Gedanken daran verschwendet, es im Rest des Landes oder gar jenseits der Grenzen zu versuchen. Ein solches Überangebot ist doch sicher Fluch und Segen zugleich, oder? Im Optimalfall spornt einen das an und härtet einen ab. Im schlimmsten Fall gehst du mit fliegenden Fahnen unter.

 

Konkurrenz ist für mich grundsätzlich überhaupt nichts Schlimmes. Das treibt uns an, schließlich sind wir alle Menschen in einer arbeitenden Gesellschaft, die versuchen ihre bestmögliche Leistung abzurufen. Dabei versuchen wir möglichst gut zu sein in dem was wir tun, um uns dadurch neue Türen zu öffnen, die uns neue Möglichkeiten in unserem jeweiligen Bereich erschließen können. Bezogen auf die Musikszene bedeutet das für uns, dass wir vor allem erst einmal unser eigenes Ding machen und darin so gut sein wollen wie Wilson eben sein können. Die Erfolge der anderen sind für uns eher Motivation. Da wo wir herkommen hat man keine Zeit zu verschenken, um zu schauen was die anderen machen, egal ob sie damit erfolgreich sind oder grandios scheitern. Wir ermutigen unsere Kollegen einfach und sie uns im Gegenzug auch. Diese seltsam negative Haltung, die manche haben, wenn es um den Erfolg der anderen geht ist nicht selten der Grund für deren eigenen Misserfolg. Weil sie auf das Scheitern der anderen warten, anstatt sich auf den eigenen Erfolg zu konzentrieren und darauf hin zu arbeiten.

 

 

Im Frühjahr konnte man euch hierzulande mit Halestorm und Nothing More sehen, es war also eine Tour von drei echten Live-Granaten. Mein Eindruck war, dass nicht all zu viele Leute euch vorher kannten, aber die Reaktionen sprachen dennoch für sich, denn ihr habt diese unbedarften, unvorbereiteten Besucher ziemlich schnell im Sack gehabt mit euren Songs und eurer hyperaktiven Art. Wie habt ihr die Tour erlebt, war es vielleicht sogar eine eurer erfolgreichsten und besten bisher?
 

Heilige Scheiße, diese Tour war der absolute Wahnsinn! Es war nicht nur unser erster Abstecher nach Europa als Band, sondern auch mein erster Aufenthalt bei euch überhaupt. Ehrlich gesagt hätte ich es mir auch nie im Leben erträumen lassen, dass mir das durch unsere Musik und unseren Job als Entertainer einmal ermöglicht werden würde. Wenn ich nur an diese Tour denke bekomme ich jedes Mal aufs neue Gänsehaut. Ich kann das Gefühl nicht mal beschreiben, das mir durch die Adern geschossen ist, als ich Abend für Abend in einem anderen fremden Land die Bühne betreten habe. Manchmal spielten wir für Leute, die vielleicht nicht mal unsere Sprache gesprochen oder verstanden haben, und es hat trotzdem bestens funktioniert durch die universelle Sprache der Musik. Ich erinnere mich noch genau an den Geruch, der Abend für Abend in der Luft lag und werde diese Tour garantiert niemals vergessen.
 

Auch wenn ihr bei euren Shows viel Wert darauf legt, die Leute zu unterhalten, so nehmt ihr eure Musik dennoch sehr ernst. Könnte man so vielleicht eure Philosophie beschreiben: Auf und hinter der Bühne Vollgas geben und durchdrehen, dabei aber immer gute Songs in der Hinterhand haben?

 

Wir arbeiten, um zu leben und wir leben, um zu arbeiten. Gewissermaßen haben wir eine ähnliche Einstellung wie die Leute in den klassischen 9-to-5-Jobs: Wenn wir arbeiten, dann hängen wir uns voll rein und geben alles. Danach haben wir Freizeit und versuchen das Leben zu genießen und Spaß zu haben. Wir sind eine Band, die auf jeden Fall hart arbeiten will, also geben wir auch auf der Bühne alles. Unserer Meinung nach haben wir uns danach auch ein bisschen Spaß verdient, haha. Mit unserer Musik wollen wir den Soundtrack zum täglichen Leben ganz normaler Männer und Frauen schreiben. Das Leben ist voller Widrigkeiten und oft kein witziger Spaß, man sollte vieles nicht leichtfertig auf die leichte Schulter nehmen. Ich bin auch nicht nur irgendein naiver Trottel, der über Bier, Weed und Titten singt. Versteh mich nicht falsch, das sind alles Dinge, die ich liebe. Aber ich will sie mir auch verdient haben!

 

Auch wenn die erwähnte Halestorm-Tour schon so großartig für euch war: Mit wem würdest du gerne mal die Bühne teilen, wenn du die freie Auswahl hättest?

 

Für mich persönlich wären da klar die Foo Fighters auf Platz 1. Alle bei uns in der Band sind große Fans, aber für mich kommt da noch ein anderer Aspekt dazu, denn ich glaube dass beide Bands eine relativ ähnliche Einstellung haben und für ähnliche Werte stehen. Gleiches gilt für ihre Fans, und ich würde dieses Feeling, das da entsteht, nur zu gerne mal mit ihnen teilen.

 


Reflektiertes Feierbiest: Chad Nicefield (Mitte)
 

Es ist kein all zu gut gehütetes Geheimnis, dass "auf Tour sein" im Grunde zu 90 Prozent "warten" heißt. Auf den Auftritt, auf den Bus, auf den Soundcheck oder was auch immer. So gesehen ist es doch eigentlich nahe liegend, sich eine gute Zeit zu machen und die eine oder andere kleine Party zu schmeißen, anstatt sich zu Tode zu langweilen. Sind Wilson einfach deshalb die viel zitierten Party Animals, weil es einfach sehr nahe liegend ist und den Leerlauf erträglicher macht?

 

Sicherlich machen wir hier und da mal was los. OK, vielleicht ein bisschen öfter als nur hier und da, haha! Aber ehrlich gesagt nutze ich die Zeit auch gerne, um ein bisschen produktiv zu sein, egal ob mit neuen Songs, Ideen für Videos, Merch oder einfach, um den Kontakt mit unserem Publikum zu halten. Ich mag es nicht, meine Zeit einfach sinnlos zu verschwenden und arbeite deshalb eigentlich immer an irgendetwas. Nicht selten hänge ich auch vor den Clubs ab in denen wir spielen und unterhalte mich mit den Leuten, die in der Schlange warten. Ich höre mir gern deren Geschichten an, das motiviert und inspiriert mich.

 

Geschichten sind ein gutes Stichwort: Natürlich kann ich dich nicht einfach so entlassen, ohne dass du eine schöne Story aus eurem sicher reichhaltigen Fundus an lustigen, seltsamen oder schockierenden Geschichten aus dem Rock ´n´ Roll- und Party-Alltag von Wilson zum besten gegeben hast. Gibt es da eine Geschichte, die du spontan mit den Lesern und uns teilen willst und auch darfst?

 

Mal sehen, da sollte sich etwas finden lassen, haha. Wie wäre es damit: Ich wäre auf "Motörhead's Motörboat" beinahe an Fireball Whiskey gestorben. Die Brennerei sponsorte das Schiff und sie fragten uns, ob sie uns dabei filmen dürften, wie wir ganz ungezwungen und lässig über das Schiff flanieren und uns dabei hin und wieder einen Fireball genehmigen. Ich schätze "ungezwungen genehmigen" bedeutete in dem Fall für mich, einen ganzen Liter in gerade einmal zwei Stunden runterzuschütten. Nach einem fast dreitägigen Gelage mit diesem Zeug machte mein Körper einfach schlapp und verweigerte den Dienst. Mein Gesicht wurde ganz grau und mir schossen die Flüssigkeiten aus allen erdenklichen Körperöffnungen - und das für etwa 20 Stunden am Stück. Mein Körper rebellierte gegen den Stoff. Wir wählten den Notruf und sie brachten mich sofort auf die Krankenstation des Schiffes, wo sie mich für mehrere Stunden an einen Tropf hängten, um mich intravenös wieder mit Flüssigkeit zu versorgen. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass ich das Zeug seitdem nie wieder angerührt habe! Gleiches gilt übrigens für Jameson, aber das ist eine andere Geschichte.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de 

 

 

Link: www.wilsonpartyanimals.com