Interview mit Martin Duckstein von WETO

 

 

sounds2move: In meiner Rezension vergleiche ich euer neues Album mit „Engelskrieger“ von Subway to Sally. Und zwar aufgrund der thematischen Ähnlichkeit und weil mich beiden Alben emotional sehr berührt haben bzw. es immer noch tun. Ist für dich dieser Vergleich passend oder stört es dich, wenn man solch einen Vergleich anstellt?

 

Ducky: Es ist wohl eine menschliche Seite, Dinge einordnen und vergleichen zu wollen und das ist auch ok so. Und eine gewisse Ähnlichkeit der Thematiken, die die Schattenseite des menschlichen Daseins beleuchten, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Allerdings denke ich, dass die Unterschiede in Erzählstil wie in musikalischer Umsetzung dann kaum noch vergleichbar sind.

 

Mit „Engelskrieger“ haben Subway to Sally damals massiv mit ihrem Stil gebrochen und damit auch einige Fans verloren. Wäre es für dich denkbar, dass die Songtexte von WETO auch bei Schandmaul hätten untergebracht werden können oder braucht es dafür eine zweite Band wie WETO, um die eingesessenen Schandmaul Fans nicht „zu verschrecken“ wenn man so will?

 

Nein, wir werden den Schandmaul-Stil nicht brechen, das geht auch gar nicht, weil sich hier 6 Musiker zu gleichen Teilen einbringen. Schandmaul steht mehr für die fröhliche Komponente des Lebens, während WETO die andere Seite der Medaille aufzeigt. Sozusagen Herr der Ringe gegen Stephen King.

 

WETO war ursprünglich die Hauptband und Schandmaul das Nebenprojekt, wobei es mittlerweile umgekehrt ist. Hat es dich je in irgendeiner Form getroffen, dass WETO im Schatten von Schandmaul stand und somit auch nicht die (verdiente) Aufmerksamkeit erhalten konnte?

 

Zunächst war das tatsächlich nicht so einfach, zumal Schandmaul ja als Spaßprojekt geboren wurde. Der Übergang zu einer erwachsenen und eigenständigen Band ging dann aber so schnell, dass bald allen Beteiligten klar war, dass der zeitliche Einsatz deutlich höher werden würde als bei WETO. Und somit tauschten sich die Positionen quasi von selbst, bis für WETO schließlich keine Zeit mehr übrig blieb.

 

Wer hatte die Idee dazu, dass es gerade jetzt Zeit ist für das zweite WETO Album bzw. wieso habt ihr nicht schon früher ein weiteres Album unter diesem Banner veröffentlicht?

 

Die Idee dazu wurde in einer legendären Nacht im Schandmaul-Nightliner bei gemütlicher Stimmung getroffen. Es war an der Zeit, da Schandmaul inzwischen ein Selbstläufer geworden ist und somit tatsächlich die Zeit für eine Wiedergeburt von WETO gegeben war. Zumal außer mir und Thomas jetzt Matthias und Stefan von Schandmaul, sowie Heiner von Regicide mit ins Boot kamen und die Terminabsprachen somit kein Problem darstellen konnten. Vorher war schlichtweg keine Zeit!

 

Wie muss man eigentlich den Albumtitel „Das Zweite Ich“ interpretieren? Steckt dahinter etwa eine Anspielung auf die zweite musikalische Existenz neben Schandmaul? Ein zweites musikalisches ich oder hat der Albumtitel keine tiefere Bedeutung?

 

Interpretationen jeder Art sind uns immer willkommen *lacht*.

Aber der Albumtitel ist tatsächlich bewusst so gewählt. Das zweite Herz, das in jeder Brust schlägt. Emotional, musikalisch, vom Betrachten des Lebens aus unterschiedlichen Perspektiven...

 

„Das Zweite Ich“ setzt sich sowohl aus altem wie auch neuem Songmaterial zusammen. Kannst du unseren Leser erläutern, welche Songs nun die Alten - also die aus den Anfangstagen der Band - und welche die Neuen sind?

 

Die älteren Nummern, die bereits auf 2 inzwischen vergriffenen CDs veröffentlicht waren und hier in neuem Gewand erscheinen sind „in unserer Mitte“, „die Flucht“ und „Wolfsherz“. Alle anderen wurden nie veröffentlicht und fallen in die jüngere Schaffensphase der Band.

 

Mit euren Songs wollt ihr nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen. War es im Zusammenhang damit schwer für euch, die Balance zwischen Kopflastigkeit und Unterhaltungswert zu halten?

 

Nein, der Unterhaltungswert steht bei WETO an zweiter Stelle. Texte dieser Art brauchen auf der anderen Seite aber eine entsprechende musikalische Untermauerung, die sehr ehrlich und geradlinig daherkommt. Ich denke, diese Mischung macht auch den „Unterhaltungswert“ von WETO aus.

 

Ihr setzt euch auf dem Album mit so manchem kritischen Thema auseinander, sei es Vergewaltigung, Depressionen, Ritzen oder auch Mord. Dennoch fällt auf, dass das Trauma unserer Zeit - der 11. September 2001 - nicht behandelt wird. Ist das Absicht oder reiner Zufall, dass ihr dieses Thema ausspart? Oder war euch die Thematik am Ende einfach schon zu abgegriffen?

 

Bei WETO geht es nicht um politische Ereignisse, sondern den Alptraum tief in dem jeweiligen Protagonisten selbst. Wir wollten und werden nie politisieren, sondern nach wie vor Gefühle darstellen, ohne diese dem Zuhörer zu interpretieren. Wenn also der 11. September zum Thema käme, dann vielleicht aus der Sicht des Piloten, der hilflos zusehen muss, wie ein Wahnsinniger die Kontrolle über sein Flugzeug übernimmt. Aber wie gesagt, bevor es zu so einem Thema kommt bietet jeder Mensch um uns herum genug Abgründe zum Thematisieren...

 

Gibt es ein Thema, das du gerne songtechnisch aufgearbeitet hättest, es aber auf „Das Zweite Ich“ nicht tun konntest?

 

Da gibt es etliche, die nur darauf warten, aus den Schubladen geholt zu werden. Und es zum Teil schon sind, denn es soll ja noch ein Album geben!

 

Beim Song „Wieder Allein“ singt Thomas nicht nur in einer düsteren und fast schon bedrohlichen Gesangsart, die man so von ihm nicht gewohnt ist, sondern auch aus der Sicht eines Mannes, der seine Frau umbringt. Wieso habt ihr euch hier gerade für die Tätersicht entschieden?

 

Es ist das Konzept der Texte von WETO. Du hast immer den Ich-Erzähler, der in seinem eigenen Alptraum steht, zum Teil als ganz normal empfindet, zum Teil verzweifelt einen Ausweg sucht. Wir stellen Situationen dar, ohne zu moralisieren.

 

Habt ihr keine Bedenken, dass solch ein Song die Zensur auf den Plan rufen könnte? Vor allem da nach den jüngsten Ereignissen wieder mal in einer wahren Hysterie alles verboten und zensiert wird, was in irgendeiner Form mit härterer Musik oder auch Computerspielen zu tun hat oder das nicht ganz gesellschaftskonform ist.

 

Wenn es passiert, dann haben wir Pech gehabt. Man muss aber bedenken, dass die größte Inspirationsquelle von WETO die Tageszeitung ist. Es ist unsere Art von künstlerischer Aufarbeitung solcher Themen, die wir im Gegensatz zu stumpfen Ballerspielen aber keinesfalls verherrlichen, geschweige denn zum Nachahmen einladen, sondern es vielmehr unser Ziel ist, beim Zuhörer gesträubte Nackenhaare hervor zu rufen.

 

Ich kann mich im Allgemeinen dem Eindruck nicht erwehren, dass Thomas´ Gesang auf diesem Album um einiges freier und auch emotionaler wirkt als es bei den Schandmaul Alben der Fall ist. Fast so, als ob er es regelrecht genossen hat, mal nicht in den festgesteckten Grenzen eines Schandmauls Songs zu agieren. Wie ist deine Meinung dazu? Liege ich mit meinem Eindruck vollkommen falsch oder ist da was dran?

 

Es ist schwer, das miteinander zu vergleichen, aber natürlich hat bei WETO jedes Instrument einschließlich der Stimme einen anderen Stellenwert und eine andere Aufgabe als bei Schandmaul. Die Stimme muss hier neben dem Erzählen auch viel mehr melodiöse Emotion tragen, da die bei Schandmaul hierfür zuständigen Instrumente wie Geige und Flöte einfach nicht vorkommen. So hat jeder von uns andere und damit auch vielfältigere Aufgaben zu erfüllen, was ich auch und gerade an der Gitarre deutlich gemerkt habe. Es ist eben mehr Platz, um sich auszuleben. Das ist zum Teil ein großer Vorteil, manchmal aber auch sehr schwierig aufzufüllen.

 

Mit „Wolfsherz“ behandelt ihr ein Thema, das auf der gleichnamigen Erzählung von Wolfgang Hohlbein basiert und somit keinen direkten realen Bezug besitzt. Wieso habt ihr euch für diese Erzählung entschieden und somit einen Song aufs Album gepackt, der eigentlich nicht so recht ins Gesamtkonzept passen möchte?

 

Thomas ist ein großer Fan von Wolfgang Hohlbein und von Fantasieerzählungen im Allgemeinen. Das Lied handelt von einem Tal, in dem noch Wehrwölfe leben, auch eine Schattenexistenz und damit thematisch gar nicht so unpassend...

 

Existieren schon Pläne für ein drittes WETO Album oder habt ihr euch noch keine Gedanken darüber gemacht?

 

Wir haben die ersten Nummern bereits auf dem Tisch und arbeiten fleißig an Weiteren. Ausschlaggebend wird letztendlich sein, ob es eine Nachfrage nach einem neuen Album gibt, aber da sind wir recht zuversichtlich.

 

Wenn du dich nun entscheiden müsstest zwischen Schandmaul und WETO, für welche Band würdest du dich entscheiden? Und könntest du das überhaupt?

 

Die Hauptband ist für alle Beteiligten Schandmaul. WETO ist das zweite Ich, ein wichtiges Element, ohne das Schandmaul gar nicht existieren würde, eine wichtige Ergänzung. Insofern kann es eine solche Entscheidung gar nicht geben, da beide Bands unser musikalisches und persönliches Herzblut sind.

Interview: Nando Rohner - www.sounds2move.de

Link: www.wetomusic.de