Interview mit Thomas Bredahl von VOLBEAT

 

 

Vor ein paar Wochen musstest du einige Volbeat-Shows als Support von Metallica in den USA aussetzen, weil es Probleme mit deinem Visa und „Homeland Security“ gab. Wie hart war es für dich bei solchen Ereignissen zum Zuschauen verdammt zu sein, selbst wenn du im letzten Jahr bereits einige Konzerte mit James Hetfield und Co. absolviert hast?

 

Es war schon ein blödes Gefühl. Ich konnte eigentlich nur zu Hause sitzen und mir die Clips auf YouTube anschauen, was schon komisch war, denn wir treten sonst nie als Trio auf, haha. Wenn man in einer Band spielt und auf Tour geht – gerade wenn man zwischendrin auch erstmals als Headliner Konzerte in den USA gibt -, dann willst du natürlich bei deinen Jungs sein und diese Erfahrung teilen. Aber so ist das Leben, man kann es nicht ändern und muss die Dinge akzeptieren wie sie passieren. Andererseits bin ich froh, dass die Jungs es auch ohne mich geschafft haben zu bestehen, bevor ich letztlich doch nachreisen konnte. Das ist immer noch besser als wenn wir die Konzerte komplett hätten streichen müssen.

 

Aber selbst wenn habt ihr immer noch einen bemerkenswerten Start in Übersee hingelegt. Nach euren ersten Gehversuchen als Support von Nightwish ging es gleich als Metallica-Vorgruppe auf die Reise und jetzt spielt ihr auch schon als Headliner. Vor allem von den Metallica-Hallen träumen 99% aller Bands höchstens, ihr habt quasi damit angefangen. Surreal und beeindruckend zugleich oder?
 

Ohne Zweifel. Da weißt du gar nicht was dir gerade widerfährt… Nachdem wir im November und Dezember schon drüben waren und jetzt erstmals Headlinershows dazu kamen, war das eigentlich eher wie ein Testballon von uns, ein Experiment, denn niemand konnte wissen, ob überhaupt jemand kommen würde um uns zu sehen. In den großen, ausverkauften Arenen ist die Sache klar: 98% der Leute kommen nur für Metalllica. Dass jetzt auch jemand nur für uns kommt, ist ein großes Kompliment. Wir haben das Glück, dass viele Radiostationen unseren Sound mögen und uns Airtime einräumen. Einige Besucher kamen sogar auf Verdacht, weil sie von ihren Freunden gehört hatten wie sehr ihnen unsere Shows mit Nightwish oder Metallica gefallen hatten.  

 

Das alles ist quasi parallel zu eurem randvollen Tourplan hier in Europa passiert. Und damit sind wir auch direkt bei eurem neuen Album, denn man kann sich schon fragen, wann ihr überhaupt die Zeit hattet, neue Songs zu schreiben?

 

Haha, das stimmt, wir sind schon seit fünf Jahren quasi ununterbrochen sehr beschäftigt und durchgehend unterwegs. Die Songs sind währenddessen entstanden, denn man hat auf Tour in der Regel sehr viel Zeit. Meistens schlafen wir während der Reise, sodass wir abgesehen davon die Möglichkeit haben auch mal konstruktiv zu arbeiten und an Ideen zu feilen. Das ist das Gute an der Musik, denn du kannst komponieren und daran arbeiten wo auch immer du dich gerade herum treiben magst. Na klar, wir sind die meiste Zeit im Jahr unterwegs, aber wir nehmen uns auch immer mal die Zeit für zu Hause und auch dort kann man problemlos Ideen vertiefen. Zwischendurch, etwa zum Beginn dieses Jahres, brauchen aber auch wir mal eine Auszeit und die haben wir uns dann auch genommen.

 

Trotzdem kann nicht jede Band unterwegs neue Songs schreiben.  Manche wollen es auch gar nicht.

 

Das muss jeder selbst wissen, aber wir sind doch eh zusammen und wenn wir schon mal alle gemeinsam irgendwo abhängen, können wir genauso gut etwas Produktives tun. Manchmal kommt mir backstage irgendeine Idee, ich spiele sie Michael (Poulsen, Sänger und Hauptkomponist - MR) vor und wir experimentieren damit oder er spinnt die Idee weiter. Soundcheck müssen wir auch jeden Tag machen, was eine gute Gelegenheit ist unsere Ideen gleich mal mit der kompletten Band zu versuchen. Basierend auf diesem Prinzip ist ein großer Teil des neuen Albums entstanden.

 

Welches jetzt erstmals über ein Major-Label erscheint. Was war für euch bei der Entscheidungsfindung am wichtigsten als euer vorheriger Vertrag auslief? Ich schätze mal ganz unverschämt, dass so ziemlich jedes Label euch gern unter Vertrag genommen hätte.

 

Das schon, aber uns ging es vor allem darum, mit jemandem zu arbeiten, der unsere Arbeitsweise versteht und der uns komplett unser Ding machen lässt in kreativer Hinsicht. Wir schreiben die Songs, nehmen auf und das Label veröffentlicht die Scheibe. Wir hatten eine genaue Vorstellung und die wollten wir einfach erfüllt wissen. Darum haben wir uns auch mit sehr vielen Leuten getroffen, denn wir hätten keinen Vertrag unterzeichnet ohne die zuständigen Menschen persönlich zu treffen, schließlich muss es auch menschlich passen. Dabei haben wir auch darauf geachtet, ob unser gegenüber uns zuhört und versteht, was wir möchten. Damit haben wir auch ein paar schlechte Erfahrungen gemacht, denn es waren Menschen darunter, die uns überhaupt nicht richtig zugehört haben und die nicht aufmerksam waren. Wenn sie es schon im Gespräch nicht sind, werden sie es dann jemals sein, wenn ein Album oder eine Tournee ansteht? Eher nicht… Es wurde unsererseits durchaus hart verhandelt, aber das war einfach nötig. Mit unserer neuen Plattenfirma haben wir ein gutes Gesprächsklima, sie liebten unser Album als wir es ihnen erstmals vorspielten und meinten, dass sie genau so eine Scheibe von uns gewollt hätten. Wir scheinen also auf einer Wellenlänge zu liegen, wie gut beide Seiten gearbeitet haben, werden jetzt aber erst die nächsten Wochen und Monate zeigen, hehe.

 

Als ein erstes Indiz können die Charts herhalten. Was denkst du wo ihr in Deutschland landen werdet – mein Tipp wäre Platz 4. Und was ist in eurer Heimat diesmal drin?

 

In Dänemark haben wir wirklich ein sehr gutes Standing, unsere Landsleute unterstützen uns sehr. Unsere letzten beiden Alben sind auf 1 in die Charts gegangen, ich schätze dass uns das wieder gelingen wird. Und Deutschland… puh, keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob vielleicht irgendein bayrischer Schlagersänger ebenfalls ein neues Album veröffentlicht und uns locker hinter sich lässt, haha. Linkin Park, Skunk Anansie und Phil Collins haben allerdings neue Scheiben, somit kann man verdammt schlecht einschätzen was am Ende passiert. Wie so oft muss man immer auch beachten wer sonst noch etwas in genau deiner Woche veröffentlicht, zudem habe ich überhaupt keinen Plan wie gut die besagten Künstler überhaupt verkaufen. Platzierungen bedeuten uns generell nicht all zu viel, wichtiger ist, dass die Leute, die unser Album kaufen es auch mögen und es ihnen gefällt.

 

Stichwort Plattenkauf: Was waren die letzten Scheiben, die du dir selbst besorgt hast für deine Sammlung?

 

Das kann ich dir ganz genau sagen, immerhin sind wir in Berlin, hehe. Unsere Promoterin sagte heute Vormittag zu uns wir hätten noch etwas Freizeit, sollten Mittagessen und uns im Hotel ein wenig entspannen. Also haben wir uns schnell ein paar Burger geholt und sind direkt in den nächst besten Plattenladen gerannt, haha. Dort habe ich mir ein Album namens „Straight out the Alley“ von The Grit geholt, einer Rockabilly / Psychobilly Band. Dann habe ich mir auch eine Scheibe von Talco besorgt, einer Band aus Italien, die grob in Richtung Ska / Skaterpunk geht. Ich habe schon viel von ihnen gehört, darum will ich sie jetzt mal antesten. Und dann noch eine brandneue Scheibe von einer Band mit Namen Devil’s Brigade, dort spielt unter anderem Matt Freeman von Rancid. Mir war nicht mal bewusst, dass es diese Band überhaupt gibt und kannte somit auch das Album nicht. Diese Scheiben haben ich mir vor gerade mal 3 Stunden gekauft, außer dir weiß es bisher also nur unser Drummer Jon, hehe.

 

Für „Beyond Hell / Above Heaven“ habt ihr euch zwei namhafte Gastsänger gegönnt, nämlich Barney von Napalm Death und Mille von Kreator. Michael war früher bekanntlich selbst in einer Death / Thrash Metal Band namens Dominus aktiv. Warum habt ihr diese Parts abgegeben anstatt sie selbst zu übernehmen? Die Fähigkeiten dazu hat euer Frontmann unbestritten.

 

Das stimmt und es existiert ein Demo von einem der Songs („Evelyn“ – MR) auf welchem Michael tatsächlich die Grunts übernommen hat. Aber das war nur zur Orientierung gedacht, als wir den Song an Barney geschickt haben. Seinerzeit gab es Gründe dafür, dass Michael Dominus an den Nagel gehängt hat, auch weil er nicht mehr grunten wollte. Deshalb wird er damit jetzt auch nicht wieder anfangen.

Wenn man schon Grunts auf dem Album will, warum dann nicht gleich die besten? Und auf diesem Gebiet gibt es niemand besseren als Barney. Vor fünf Jahren wären solche Gäste sicher noch nicht möglich gewesen, aber mit der Zeit lernt man einige Leute kennen und wir haben das große Glück jetzt zwei unserer alten Helden auf unserem Album zu haben, die ihr Herzblut und ihren Schweiß mit einfließen lassen. Was kann es Cooleres geben?

 

Was würde denn dein persönlicher Wunschzettel noch so hergeben, wenn du die freie Auswahl für einen Gastauftritt hättest?

 

Schwierige Frage, wobei man auch abwiegen muss, ob man jetzt wieder von einem Sänger spricht oder von einem Songwriter, der mit einem eine Nummer komponiert. Es gibt so viele grandiose Songschreiber wie zum Beispiel James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers und Mike Ness von Social Distortion. Ich bin auch ein Fan von Billy Joe Armstrong (Green Day) und Tim Armstrong (Rancid), aber ich wünschte mir diese Jungs nicht mal unbedingt als Sänger und auf einem Volbeat-Album. Vielleicht in einer anderen Form oder als Projekt käme das sicherlich super. Möglich dass es auf dem nächsten Volbeat-Album wieder Gäste gibt, aber ich würde es bevorzugen, wieder die eigenen Idole hinzu zu ziehen oder jemanden mit einer einmaligen Stimme oder einem einmaligen Gitarrensound. Es ist ja nicht damit getan einfach einen anderen ein Solo einspielen zu lassen oder ein paar Grunts singen zu lassen, sondern man soll sofort hören können, mit wem man es zu tun hat. Es muss einfach etwas besonderes sein.

 

Apropos Songwriter: Bei euch übernimmt bekanntlich Michael einen großen Teil des Songwritings. Wünschst du dir hin und wieder selbst mehr deiner eigenen Ideen umsetzen zu können oder denkst du dir eher „er ist der beste Songschreiber in der Band, er wird das Kind schon schaukeln“?

 

Sowohl als auch, ich würde gern von mir behaupten, dass ich all diese tollen Songs geschrieben habe, haha! Michael ist ohne Zweifel sehr talentiert und es ist eine Ehre für mich, mit ihm arbeiten zu dürfen. Ich bin aber auch immer sehr stolz und glücklich, wenn ich einen Denkanstoss geben kann oder ihm eine meiner Ideen gefällt und er den Faden weiterspinnt zu einem neuen Song. Das ist dann auch ein großes Kompliment für mich, denn wenn ich diesen oder jenen Geistesblitz nicht gehabt hätte, wäre Volbeat-Song XY vielleicht niemals zu Stande gekommen. Auf dem neuen Album gilt das zum Beispiel für „A New Day“ und „Fallen“, beim Vorgänger für „Still Counting“. Hätte ich nicht mit diesem Reggae-Riff herumgealbert und hätte Michael die Idee nicht gefallen, wären wir jetzt um einen Hit ärmer. Das ist doch eine coole Sache und ich bin so oder so überhaupt nicht der Ego-Typ, der auf jedem Album fünf ganze Songs geschrieben haben muss um zufrieden zu sein. Vielleicht wäre ich dazu fähig ein paar komplette Songs abzuliefern und wenn diese gut genug wären, würden sie vielleicht sogar den Sprung auf das Album schaffen. Ich bin aber ein Teamplayer und absolut glücklich damit, meine Parts beizusteuern. Mit Michael möchte ich mich nicht messen müssen was das betrifft, das würde angesichts seiner Fähigkeiten nicht gut für mich ausgehen, haha!

 

Der limitierten Edition von „Beyond Hell“ liegt eine DVD bei, die einen Teil eures letzten Konzertes in Tilburg (NL) zeigt. Dabei handelt es sich vermutlich um den Nachholtermin und nicht die zuerst angesetzte Show? (Beim ursprünglichen Konzert war Sänger Michael Poulsen mitten in einem Song bewusstlos zusammen gebrochen, woraufhin der Auftritt natürlich ein abruptes Ende fand und der Frontmann umgehend ins Krankenhaus eingeliefert wurde – MR)

 

Genau, die Aufnahmen stammen von dem Ersatztermin. Man kann auf YouTube ein paar Videos von Michaels Kollaps bei der Erstansetzung finden. Wobei der zweite Anlauf natürlich ein sehr besonderer Anlass war und somit auch quasi eine recht interessante Story erzählt wird. Eine Geschichte über eine Band, die vielleicht einfach zu hart gearbeitet und es übertrieben hat. Wer uns kennt weiß allerdings, dass wir keine Show einfach so abbrechen oder ausfallen lassen, sondern zurückkommen und die Fans mit einer Höllenshow entschädigen (So geschehen im März 2009, als ein Konzert in Ludwigsburg nachgeholt und exklusives Merchandise verschenkt wurde - MR). Es waren schon beides an und für sich tolle Auftritte, aber das erste endete schlagartig und mit einem sehr schlechten Gefühl. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt selbst nicht was los war, Michael hätte genau so gut auf der Bühne sterben können. Das war ein unglaublicher Schock für uns alle und natürlich für das Publikum und hätte übel enden können.

 

Schon vor einigen Wochen habt ihr eine neue Europatour angekündigt, die euch in ein paar sehr große Hallen hier in Deutschland führt. Wart ihr euch noch bevor „Beyond Hell / Above Heaven“ überhaupt fertig war bereits sicher, dass ihr das Zeug dazu habt Hallen dieser Dimension zu füllen? Und setzt ihr euch bei allem Selbstbewusstsein damit nicht auch einem gewissen Druck und Risiko aus?

 

Du musst einfach daran glauben, dass du diese Ticketzahlen absetzen kannst, wenn du eine Tour buchst. Wenn wir uns nicht sicher wären, wäre es fahrlässig gewesen nicht stattdessen kleinere Clubs zu spielen. Wir werden mitunter in Konzertsäle mit 7000er oder sogar 8000er Kapazitäten blicken. Wenn man bedenkt, dass wir uns letztes mal zwischen 2000 und 4000 bewegt haben, dann ist es keine Kunst zu errechnen, dass wir in machen Fällen die doppelte Anzahl an Tickets absetzen müssen um auszuverkaufen. Wir waren aber für unsere Verhältnisse eine ganze Zeit nicht mehr da und haben nur wenige Festivals gespielt. Zudem haben wir dann das neue Album draußen von dem wir absolut überzeugt sind und unser Label weiß auch, wie es seine Arbeit zu verrichten hat. Wir dachten uns einfach: Wenn alle beteiligten davon überzeugt sind, dass es gelingen kann, dann machen wir es auch! In Dänemark nehmen die Leute solche Sachen in der Regel eher locker und halten sich mehr zurück, aber wir ziehen das jetzt einfach mal durch. Und zumindest bei euch hier in Deutschland wird dieser Plan wohl aufgehen, denn wir werden einige Konzerte ausverkaufen können, genau wie manche Shows in Skandinavien und Österreich. Mit Glück ist fast die komplette Tour am Ende ausverkauft und das obwohl wir in Schweden sogar zwischenzeitlich noch mal die Halle gewechselt und nach oben aufgestockt haben. Das ist doch alles völlig verrückt, oder? Haha!

 

Interessant werden diese Konzerte garantiert auch für eure Supportbands Entombed und The Kandidate. Volbeat haben nicht umsonst den Spruch „Metal even your mom would like“ geprägt und jetzt setzt ihr den Mainstream-Hörern im Publikum schwedischen Death Metal und dänischen Hardcore vor. Was meinst du wie die Reaktionen ausfallen werden?

 

Wie schon, sie werden es hassen! Haha! Aber darum nehmen wir sie mit, denn wir spielen mittlerweile wirklich surreal große Hallen, die beide Bands wohl niemals sonst füllen würden. Dabei haben Entombed ein komplettes Genre mitbegründet, diese Band gilt zu recht als Klassiker, sie sind Ikonen einer ganzen Szene! Wir wollen einfach so vielen Menschen wie möglich verdeutlichen, wie großartig sie sind. Sie werden nicht jedem gefallen, aber wir wurden definitiv von ihnen beeinflusst, Entombed zählen zu unseren Idolen. Es ist das gleiche wie mit Barney auf dem Album: Natürlich mögen viele Leute die Singles, die akustischen Gitarren und die tollen Melodien. Aber davon wollen wir den Zuhörern auch nicht zu viel geben, wir wollen sie auch mal herausfordern, ihnen etwas zum Arbeiten geben. Genauso wie die Metaller sich erst einmal über einen Reggae-Song wie „Still Counting“ oder eine Punknummer wundern. Wir hoffen auf eine Reaktion wie „das ist zwar nicht mein Sound, aber der Song ist echt klasse“. Warum nicht auch mal ein bisschen provozieren? Rock N Roll is still a bit dangerous! Haha!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.volbeat.dk