Interview mit Melissa Ferlaak von VISIONS OF ATLANTIS

 

 

Melissa, zu Beginn eine Frage, die du sicher öfter zu hören bekommst: Ist es nicht schwierig für euch als Band intensiv zu arbeiten, wenn du in den USA lebst, während der Rest von euch aus Österreich stammt?

 

Ehrlich gesagt ist es bisher gar nicht so schwierig, wie man es vielleicht auf die Schnelle vermuten könnte. Das einzige wirkliche Problem, das wir haben, ist es unsere Zeit und vor allem den Urlaub für Tourneen zu koordinieren. Das gestaltet sich in der Tat schwierig.

 

Kanntest du deine jetzige Band eigentlich schon bevor sie eine neue Sängerin gesucht haben? Immerhin sind Visions of Atlantis zwar natürlich eine gute Band, aber vor allem außerhalb Europas doch ein eher unbeschriebenes Blatt, also auch in den USA. Wie bist du also auf deine Kollegen gestoßen?

 

Du hast Recht, ich kannte Visions of Atlantis zuvor in der Tat nicht und ich wusste nicht mal, dass sie eine Sängerin suchen. Bis zu dem Zeitpunkt als ich meinerseits eine neue Band suchte und dabei auch mit Napalm Records in Kontakt kam. Auf diesem Weg habe ich dann vom Angebot der Band erfahren. Lustigerweise habe ich ein paar Freunde nach der Band gefragt, und die kannten sie wiederum. Da war ich wohl nicht ganz auf dem aktuellen Stand, haha.

 

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, was du tun würdest, wenn deine Band eines Tages in einer etwas höheren Liga spielt als heute? Wäre es dann eine Option für dich, nach Europa umzuziehen oder möchtest du unabhängig von deiner musikalischen Karriere auch zukünftig auf jeden Fall in Amerika verbleiben?

 

Wenn ich mit der Band an einen Punkt komme, an dem wir ständig auf Tour sind und auch sonst zu beschäftigt sein sollten, um die Sache von hier aus noch standesgemäß am Laufen zu halten, würde ich vermutlich umziehen. In diesem Jahr ist das nicht möglich, zum einen wegen der geplanten Tour hier in den USA und auch aufgrund der Tatsache, dass wir auch sonst nicht derartig viel um die Ohren haben. Somit würde ein Umzug zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn machen. Aber vielleicht bald! Ich liebe Europa und besonders Österreich.

 

In welcher Position befindest du dich innerhalb der Band als neues Mitglied? Wurdest du schon komplett in das Songwriting und die Arbeit an den Texten integriert oder hast du das Feld komplett deinen Jungs überlassen?

 

Ja, das ist das Wundervolle an unserer Gruppe – wir haben alle gemeinsam an dem Album gearbeitet und können so mit Stolz von uns sagen, dass ein Teil von jedem von uns in dieser Platte steckt. Es war das erste Mal für mich, dass ich auf diese Art arbeiten konnte, denn in meiner vorherigen Band hatten wir einen einzigen Komponisten, dem keiner der anderen reinreden durfte. Das ist bei Visions of Atlantis hingegen anders, denn hier herrschen stets demokratische Verhältnisse. Das ist meines Wissens nach eine Seltenheit in Female Fronted Metal Szene.

 

Euer neues Album „Trinity“ ist deutlich härter ausgefallen als die beiden Platten zuvor. Wo siehst du persönlich die Gründe hierfür?

 

Ich glaube es hat sich auf diese Art entwickelt, weil die Band sehr zusammengewachsen ist und jeder seine bevorzugten Stilistiken irgendwo einbringen konnten – etwa Thrash, experimentelle Musik oder auch Doom. Ich glaube der neue Sound ist das Resultat aus dem bisherigen Stil der Band, kombiniert mit Einflüssen aus diesen besagten neuen Elementen.

 

Du hast sicher mitbekommen, dass derzeit viele Female Fronted Metal Bands versuchen in den USA Fuß zu fassen und einen Teil vom großen Kuchen zu bekommen. Ich denke da nur an Nightwish, Within Temptation und vor allem Lacuna Coil, die alle bereits entweder schon langwierige US-Touren hinter sich haben oder die diese konkret in Planung haben – zum Teil auch beides. Wie schätzt du generell das Potential für diese Art von Musik auf dem Neuen Kontinent ein? Existiert dort eine wirklich relevante Fanbase? Oder glaubst du es geht vielen Bands vielleicht auch in erster Linie um die mit diesen Konzertreisen verbundenen Erfahrungen?

 

Dieser Stil ist hier noch sehr neu und nicht sehr weit verbreitet. Mit Evanescence wurde die Tür für Leute, die ähnliche Sounds suchen einen Spalt weit geöffnet. Das brachte die Leute dann zu Lacuna Coil, dann zu Nightwish und dann irgendwann nach und nach zu den anderen. Ob ich glaube dass diese Musik hier eine wirklich populäre Stilrichtung werden kann? Kurz: Nein. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die meisten dieser Bands für die Leute hier einfach zu technisch sind. Aber wenn diese Bands dann hier auf Tour sind, werden sicher immer wieder viele Leute zu den Konzerten kommen. Denn ein Metal-Publikum ist eigentlich das Beste vor dem du spielen kannst, denn diese Fans sind regelrechte Jäger und Sammler, die viel Zeit und Aufwand betreiben, um neue Bands kennen zu lernen und die zudem sehr loyal sind und sich oft auch ein Stück weit mit ihren Bands identifizieren.

 

Wie du schon sagtest werdet auch ihr im Herbst in den USA unterwegs sein. Das muss doch besonders für dich als Amerikanerin eine tolle Sache sein, denn es wird auch deine erste größere Tour durch dein Heimatland sein.

 

Ich bin deswegen wirklich schon sehr aufgeregt und freue mich unheimlich. Bis dahin war es ein langer musikalischer Weg für mich, aber ich bin bereit meine Jungs hierher zu holen und ihnen zu zeigen was Sache ist! Es gibt anscheinend auch einige andere Leute, die ebenso aufgeregt sind uns sehen zu können – das fühlt sich toll an.

 

Du hast unlängst die Nachfolge von Nicole angetreten, die auf den beiden vorherigen Alben von Visions of Atlantis die Sängerin der Band war. Hast du mit den Jungs auch über die Gründe für die Trennung mit ihrer ehemaligen Frontfrau gesprochen? Was waren die Gründe dafür?

 

Die Hauptgründe waren wohl zum einen, dass sie auf Tour nicht immer so auf sich und ihre Stimme geachtet hat, wie sie es eigentlich hätte tun sollen und dass sie generell einfach andere Prioritäten hatte als die Jungs. Aber solche Dinge passieren einfach.

 

Seit du vor etwa eineinhalb Jahren bei Visions of Atlantis eingestiegen bist, haben wir uns schon einige Male getroffen und was mir in der Zeit auffiel ist die Tatsache, dass du nach euren Auftritten eigentlich immer ziemlich schnell wieder vor der Bühne erscheinst, um dir andere Bands anzusehen und einfach mit den Leuten zu feiern. Einige andere Sängerinnen haben diesbezüglich eine gänzlich andere Philosophie und sie isolieren sich selbst stattdessen in gewisser Weise. Sie tauchen etwa nur wenige Minuten vor dem Auftritt außerhalb ihrer Garderobe auf, gehen auf die Bühne und sind direkt nach der Show wieder verschwunden. Glaubst du, dass einige Mädels einfach Angst um ihre Stimme haben oder würdest du eher sagen, dass du persönlich eine sehr offene Persönlichkeit bist, die gern unter Menschen ist und auch abseits des eigenen Auftritts Spaß haben will? Vielleicht auch einfach eine Frage der Mentalität?

 

Haha, Yeah! Das habe ich in der Tat auch festgestellt bei einigen anderen Sängerinnen. Aber die Gründe dafür sind mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Ich für meinen Fall möchte bei Konzerten und Festivals einfach Spaß haben und lerne generell gern neue Leute kennen. Meiner Meinung nach ist es überhaupt einer der wunderbarsten Aspekt an der Tatsache in einer Band zu spielen, dass man ständig neuen Leuten über den Weg läuft. Wir sind alle nur Menschen und Menschen, die unsere Musik mögen sind genau die Art von Seelen, die ich auch kennenlernen möchte. Und: Ich liebe Metal! Von den vielen tollen Bands, die ihr habt, bekommen wir leider nur wenige auch hier zu sehen, da will ich natürlich auch die Chance nutzen sie mir live anzusehen, wenn ich schon einmal die Chance dazu habe. Außerdem lerne ich dabei Leute wie etwa dich kennen, das ist doch großartig, hehe.

 

Seit deinem Einstand bei VoA habt ihr schon einige Konzerte gespielt. Wie fällt deine Zusammenfassung aus und welche Erfahrungen hast du bisher als neue Sängerin der Band gemacht? Hast du deine Entscheidung schon mal bereut bei einer Formation in Übersee anzuheuern?

 

Nein, von Reue keine Spur. Ich würde mir wünschen, dass ich sie öfter sehen könnte, weil sie zu so guten und engen Freunden von mir geworden sind und weil es immer wieder schwierig ist mich von ihnen zu trennen. Die Erfahrungen waren großartig und ich bin unheimlich dankbar, dass mir diese tollen Erinnerungen und Bekanntschaften geschenkt wurden. Das alles sind Dinge, die das Leben einfach unheimlich lebenswert machen.

 

Interview: Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.visionsofatlantis.com

Kommentare: "Trinity" von VISIONS OF ATLANTIS

Eine erfreuliche Kurskorrektur haben VISIONS OF ATLANTIS hinter sich, jedoch ohne die angestammten Pfade ganz zu verlassen. "Trinity" zeigt, dass die Band deutlich an Reife gewonnen hat. Der Härtegrad wurde merklich angezogen, wozu sicher auch die im Vergleich zur Vorgängerin wesentlich erwachsener klingende neue Sängerin Melissa Ferlaak beiträgt. Fans des ersten Stunde werden nicht enttäuscht sein, wenn sie Nummern wie "Wing-Shaped Heart" oder den grandios-hymnischen Opener "At the Back of Beyond" hören. Und trotzdem ist "Trinity" genau auf der Höhe der Zeit: Hart genug, um nicht kitschig zu sein und dabei hochmelodisch sind VISIONS OF ATLANTIS anno 2007 interessanter denn je. Wer großartige Rock-Balladen wie "Return to You" und Midtempo-Stampfer der Marke "Through my Eyes" auf eine derart packende Weise auf einem Album vereinen kann, gehört ganz klar zu den Großen der Szene. Kurzum: Mit "Trinity" legen VISIONS OF ATLANTIS die Messlatte sehr hoch, sind ambitionierter als früher und wenn sie diese Form halten, sehr bald auch erfolgreicher.

 

Sängerwechsel sind zurzeit schwer in Mode und so wurde auch die österreichische Formation Visions of Atlantis nicht verschont. Die Band entschied sich mit Melissa Ferlaak allerdings für eine Frontdame, die stimmlich absolut keine Probleme mit den bisherigen Songs hat. Mehr sogar, Melissa ist ausgebildete Sopranistin und damit vielen Damen im Genre weit voraus. In den Songwritingprozess des neuen Albums wurde die frisch gekürte Frontsirene aus Übersee dann auch direkt kräftig eingebunden. Das Ergebnis trägt den Namen „Trinity“ und ist weniger verspielt, dafür rockiger und gradliniger als die beiden Vorgängeralben. Die Songs sind ohne Frage Ohrwürmer, den Hauch von Kitsch aber, den man gerade auf „Cast Away“ nicht überhören konnte, sucht man hier vergebens und genau der wird von mir auch nach vielen Durchgängen schmerzlich vermisst. Trotzdem ist „Trinity“ ein starkes Album einer Band, die ihre Weiterentwicklung auf natürlichem Wege zelebriert und von der wir hoffentlich noch Einiges erwarten dürfen.